Balance von Zufall und Kontrolle
In der Sparte Zeitgenössische Kunst bietet „im Kinsky“in seiner 131. Auktion Meisterwerke aus heimischen Ateliers. Darunter Werke von Martha Jungwirth, Rudolf Polanszky und Hans Bischoffshausen.
Sie ist die Doyenne der österreichischen Aquarellmalerei. Seit den 1960er-Jahren hat Martha Jungwirth ihre Malerei mit unkonventionellen Motiven, etwa einer Spülmaschine, und einer Technik, die ihren vollen Körpereinsatz verlangt, konsequent vorangetrieben.
Zwei Zeichnungen aus den 1960er-Jahren stehen im „im Kinsky“exemplarisch für Jungwirths frühe Experimente mit dem Figurativen; das Gemälde Abbruchhaus in Kreuzberg bei Bethanien (1980) weist hingegen nur noch vage Andeutungen von Raum und Perspektive auf.
Umso jünger die Werke der Malerin, desto abstrakter werden sie: Meist arbeitet sie mit figuralen Partien und grafischen Elementen, die sie in Kombination mit kraftvollen Farben und einem experimentellen Farbauftrag im Abstrakten auflöst. Ein Bild „ohne Titel“aus dem Jahr 1990 steht beispielhaft für diese kraftvollen Farbexplosionen, während für den zarten Farbeinsatz auf dem Bild Paros (2004) ein Eindruck von einer Reise verantwortlich ist.
Ausgangspunkt von Jungwirths Kompositionen ist ihre subjektive Wahrnehmung, das eigene körperliche Empfinden, das sie auf Papier überträgt: „Meine Kunst ist wie ein Tagebuch, seismografisch. (...) Zeichnung und Malerei sind eine Bewegung, die durch mich durchgeht“, erläutert sie 2018 im Katalog zu ihrer großen Ausstellung in der Albertina.
Im selben Jahr hat die Künstlerin den Eisernen Vorhang der Staatsoper gestaltet und den renommierten, alle zwei Jahre vergebenen Oskar-Kokoschka-Preis erhalten. Eine späte Anerkennung, die Martha Jungwirth mit vielen anderen Künstlern teilt, etwa auch mit Rudolf Polanszky: Trotz zahlreicher Ausstellungsbeteiligungen in Wiener Galerien wurde auch er lange als Geheimtipp gehandelt. 2018 wurden seine Materialbilder und Skulpturen in der Secession ausgestellt, und Anfang März wird eine Einzelausstellung des Österreichers in der führenden New Yorker Gagosian-Galerie eröffnet. In seiner Arbeit will der Künstler ausgehend von erkenntnistheoretischen Fragen Wahrnehmungen jenseits bekannter Prägungen ermöglichen. Um bei der Herstellung also bewusste Entscheidungen zu vermeiden, hat er die Methode der sogenannten Ad-hoc-Synthese entwickelt: Das heißt, er sammelt industriell gefertigte Materialien wie Plexiglas, Metall, Spiegelfolie oder Schaumstoff und bringt diese auf möglichst zufällige Weise zusammen. Das Ergebnis sind lose, objekthafte Arrangements, die er Hyperbolische Räume nennt, oder auch Materialcollagen wie die vorliegenden Reconstructions (2002/2005).
Polanszkys Werke sind gleichzeitig reduziert und überbordend, der Kärntner Künstler Hans Bischoffshausen hat sich dagegen vorwiegend um die visuelle Reduktion bemüht: Nach einer gestisch dominierten Phase hat er sich gänzlich auf „monochrome Reliefs“konzentriert. Eines seiner weißen, mit Lack bearbeiteten Reliefs weist etwa eine Spiralform auf, die so fein ist, dass man sie – ähnliche wie die Wellen auf einem anderen Bild – nur bei Einfall von Licht bzw. Schattenwurf sieht.
Die Vertiefungen auf dem goldfarbenen Relief Meditation über den Schmerz (1969) sind dagegen vergleichsweise tief: Sie erinnern an die Abdrücke eines Reifens, die sich auf feuchtem Grund – so scheint es – gerade wieder zurückentwickeln.
Josef Bauer ein oberösterreichischer Künstler, reiht sich wiederum in die erst spät wahrgenommenen Positionen ein. Er hat im Umfeld der Wiener Gruppe ein OEuvre entwickelt, das zwischen konkreter Poesie, Malerei, Performance und Konzeptkunst changiert.
In seiner eben erst zu Ende gegangenen ersten Museumsretrospektive im Belvedere 21 wurde seine experimentelle Beschäftigung mit den Bedeutungsträgern von Sprache und Schrift präsentiert. Die Arbeit o.T. Plakatabriss (1975–1983) ist ein Teil dieses spannenden Universums: Bauer bemalt sie und faltet die Ecken, bevor er die Abrisse dauerhaft härtet und so die einstigen Textträger zum bildhaften Objekt werden lässt.