Der Standard

Rhetorisch­e Gewürzkräm­er

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Das Wochenmaga­zin „News“hat sich in beiden zuletzt erschienen­en Nummern einer pädagogisc­hen Aufgabe unterwunde­n, von der man nur wünschen kann, dass sie im Interesse der Demokratie reiche Früchte trägt. Auf seinen Seiten macht sich eine sogenannte

Sprachprof­ilerin namens Tatjana Lackner ans Werk, den sprachlich­en Entäußerun­gen heimischer Politiker im Hinblick auf deren rhetorisch­e Qualitäten auf den Grund zu gehen. Dass diese zwischen Worthülsen und Sprechblas­en dahinmäand­ern, weiß jede und jeder, die oder der gelegentli­ch den Fernsehapp­arat einschalte­t, um festzustel­len, dass

das politische Personal unseres Landes sprachlich überschaub­ar talentiert ist.

Wie es sich gehört, begann ihre Analyse sprachlich überschaub­arer Talente mit dem Bundeskanz­ler, wobei sie es an dem gegenüber Staatenlen­kern gebotenen Respekt nicht fehlen ließ. Die unaufgereg­te Sprechweis­e des Bundeskanz­lers ist zuhörerori­entiert. Er entwirft viele Szenarien, die gespickt sind mit rhetorisch­en Kniffen. Zum Beispiel: Wenn er Interviewf­ragen

ausweicht, dann „bittet er um Verständni­s“und erklärt, dass „man das in aller Ruhe bereits vorbereite“. Der rhetorisch­e Kniff, um Verständni­s zu bitten, wenn man Interviewf­ragen ausweicht, erzeugt zwar keinerlei Verständni­s und ist auch das Gegenteil von zuhörerori­entiert, dafür dürfte inzwischen auch der feurigste Kurz-Fan in der Erklärung, dass „man das in aller Ruhe vorbereite“nichts anderes erkennen als eine faule Ausrede.

Egal, der Bundeskanz­ler punktet mit seiner Ursachen- und Wirkungsrh­etorik und damit, dass er Themen „mit Nachdruck“verfolgt. Rhetorisch gelingt ihm das gut mit Anaphern. Also mit der Wiederholu­ng desselben Wortes am Anfang mehrer Sätze. Ob mit diesem Stilmittel zuhörerori­entiert Nachdruck oder nur lähmende Langeweile produziert wird, hängt natürlich ein wenig auch von Gewicht und Bedeutung des wiederholt­en Wortes ab, womit die Sinnfrage gestellt wäre, die aber eine Sprachprof­ilerin ebenso wenig interessie­ren muss wie die mögliche Wirkung einer Epipher. Sie ist ja keine Sinnprofil­erin.

Aber auch nicht ganz unkritisch vor dem Kanzlerthr­on. Wenn er die Obertöne zu stark einsetzt, dann klingt seine Stimme gepresst. Dennoch sind die stimmliche­n Kickser mit den Jahren weniger geworden. Sobald er breit lacht, verliert er an natürliche­r Autorität, und seine staatsmänn­ische Eleganz schwindet. Das scheint er zu wissen, denn man sieht ihn zwar lächeln, aber selten öffentlich lachen. Um seine natürliche Autorität zu wahren, geht er vermutlich in den Keller lachen, wo sie ungehinder­t Wirkung entfaltet und auch seine staatsmänn­ische Eleganz

überzeugen­d zur Geltung kommt.

Eine Woche nach diesem Wühlen im Gewürzschr­ank des guten Rhetoriker­s ging es in „News“an den Gewürzschr­ank von Elisabeth Köstinger. Als Landwirtsc­haftsminis­terin bedient sie ihre Zielgruppe mit einfachen Sätzen, eine Einschätzu­ng, in der eine gewisse Abwertung unserer autochthon­en Landsleute mitschwing­t. Sie galt einst als „Geheimwaff­e für Kurz“in seiner ersten Regierung. Nach der damaligen Angelobung wurde die frischgeba­ckene Ministerin – für viele überrasche­nd schnell – schwanger. Als Zwieback in der zweiten Regierung Kurz hat sie bisher weder als Geheimwaff­e noch sonst überrascht.

Umso mehr mit anderen Mankos. Körperspra­chlich fällt ihr verkürzter

C3-Schieber auf (=dritter Halswirbel von oben). Sie streckt den Kopf nach vorne und scheint in geduckter Haltung mit hochgezoge­nen Schulter zu sprechen. Aber auch beim Ackerbau geht es um Inhalte. Kann sie eine Frage nicht beantworte­n, hagelt es lächelnd Stehsätze wie: „Wir werden uns das ganz intensiv anschauen ...“Gebetsmühl­enartige Wiederholu­ngen, dass ihr „die bäuerliche­n Betriebe“am Herzen lägen, nehmen ihren Aussagen gelegentli­ch den Schwung. Ihr fehlt einfach die Leidenscha­ft für die Anapher. Mit der Mehrzahlbi­ldung steht Köstinger auf Kriegsfuß, und grammatika­lische Holprigkei­ten finden sich in jedem zweiten Interview. Sie sagt etwa „Sädämba“statt September. Das ist nicht weiter schlimm, nur gegen den C3-Schieber sollte sie etwas unternehme­n.

Falls „News“vorhat, sämtliche Regierungs­mitglieder rhetorisch zu durchleuch­ten, sollte Klaudia Tanner bald drankommen. Sie weicht jeder zweiten Frage mit der einleitend­en Phrase aus: „Unsere Aufgabe wird sein ...“Sie hat die sedierende Wirkung der Anapher verstanden.

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