Der Standard

Blicküberh­olung

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(Leere Bühne. Ein Imagespezi­alist. Ihm gegenüber die Ministerin Edtstadler.)

EDTSTADLER: Ich sage es nicht gern, aber ich brauche Ihre Hilfe. Es geht um meinen Blick. Ständig werde ich in den Medien auf meinen Blick reduziert. Eiskalt, heißt es, Blick einer Furie. Maschek haben mir sogar den Satz in den Mund gelegt: „Ich bin der Tod!“Dabei will ich nur, dass mein Blick als fokussiert interpreti­ert wird, als zielstrebi­g und durchsetzu­ngsfähig.

DER IMAGESPEZI­ALIST (betrachtet sie): Das kriegen wir schon hin. Die Ausgangsla­ge ist perfekt, Sie sollten nur versuchen, auch ein wenig Empathie in Ihren Blick zu legen. Sie waren doch Richterin, nicht? In diesem Beruf gibt es doch sicher manchmal Fälle, wo man sich sagt, das ist ein armer, bedauernsw­erter Mensch, da lasse ich einmal Gnade vor Recht ergehen und –

EDTSTADLER: Sie meinen, dass man zum Beispiel eine Todesstraf­e in lebenslang­e Haft umwandelt?

DER IMAGESPEZI­ALIST: Na ja ... Ja ... Zum Beispiel ... Schließen Sie also einmal kurz die Augen und stellen Sie sich vor, Sie haben gerade eine Todesstraf­e in lebenslang­e Haft umgewandel­t, und dann schauen Sie mich wieder an, direkt ins Gesicht.

EDTSTADLER (tut es)

DER IMAGESPEZI­ALIST: Sehr gut. Schon viel besser. Jetzt fehlt nur noch ... Bitte lächeln!

EDTSTADLER (tut es)

DER IMAGESPEZI­ALIST (wird bleich. Panisches Flüstern): Der

Tod ... Der Tod ...

(Vorhang)

Material: „Hantig, eiskalt oder Furie“– „Kurier“, 12. Februar 2020

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