Taktik ohne Inhalt
Die „Vertrauensfrage“soll Pamela Rendi-Wagners Position in der Partei stärken. Sie selbst lässt aber nach wie vor eine Frage unbeantwortet: Wofür steht die Sozialdemokratie?
Wenn ständig dazu aufgerufen wird, das deutsche Volk müsse sich wehren gegen demokratische Politiker, die es, wahlweise, ausrotten oder verkaufen oder versklaven wollten, und gegen Ausländer, die angeblich die Vorherrschaft in Europa anstreben – dann fühlen sich rechtsradikale Gewalttäter dazu legitimiert, genau das zu tun: sich zu wehren, mit Waffengewalt. Diejenigen, die diese Verschwörungstheorien befeuern, die diese Ideologien verbreiten, sollten wissen, was sie tun: Sie leisten dem Terror Vorschub. (Hamburg) Diese Haltungen existieren nicht allein im Kopf eines mutmaßlich psychisch Kranken. Zu konstatieren, Tobias R. sei ein Verrückter gewesen, ist ein bequemes Schutzargument, hinter dem sich die Relativierer zu verstecken versuchen. (Zürich) Die wehrhafte Demokratie vermag zu unterscheiden zwischen rechter Demagogie im Stil eines Björn Höcke und Rechtsterrorismus wie in Hanau, Halle oder Kassel. Sie konnte das in den siebziger Jahren, als eine vernünftige Mehrheit Linksterrorismus nicht mit Linksextremismus gleichsetzte. So wurde die Grundlage gelegt, um die Täter der Rote-ArmeeFraktion gesellschaftlich zu isolieren und den Linksterrorismus zu vernichten. Vielleicht ist das die größte Tugend des Rechtsstaats: dass er Grenzen definiert, wo andere sie zum Zweck der Propaganda verwischen. Heute wird Deutschland ebenfalls klug genug sein, nicht alles aus einer verständlichen Empörung heraus in einen Topf zu werfen – Terroristen und Populisten. (London) Angela Merkels bevorstehender Abschied (...) bedeutet, dass eine Periode politischer Turbulenzen unvermeidlich ist. Doch während die erfolgreichste Partei der Nachkriegsära in Deutschland über ihre künftige politische Richtung nachdenkt, sollten die Ereignisse von Hanau all jenen stark zu denken geben, die versuchen möchten, die äußerste Rechte zu zähmen, einzubinden oder zu imitieren. Der Sperrgürtel zur Isolierung der AfD und ihresgleichen muss aufrechterhalten werden.
Nach dem Massaker von Hanau durch einen rechtsextremen Rassisten veröffentlichte HansGeorg Maaßen eine Einordnung des Täters: Dessen Hintergrund sei nicht in erster Linie rechtsradikal, sondern eine „Self-Made-Ideologie“mit allenfalls rechtsextremistischen „Versatzstücken“. ieser Maaßen war Chef des deutschen Verfassungsschutzes (!), ehe ihn Kanzlerin Angela Merkel wegen skandalösen Verhaltens im Zusammenhang mit rechtsextremen Vorfällen hinausschmiss. Maaßen ist nach wie
DDie letzte Woche präsentierte Mitgliederbefragung der SPÖ samt „Vertrauensfrage“durch Pamela Rendi-Wagner ist ein halbherzig getarntes taktisches Manöver, das ihre Position stärken soll. Mit echter Mitbestimmung hat das nichts zu tun. International etablierte Instrumente innerparteilicher Demokratie könnten der SPÖ jedoch tatsächlich helfen, einen Weg aus der Misere zu finden.
Wer überzeugter Fan eines krisengebeutelten Fußballklubs ist, kann sich derzeit sehr gut in die Gefühlswelt eines SPÖ-Mitglieds hineindenken. Für 70 Euro Mitgliedsbeitrag im Jahr bekommt man relativ viel Kummer. Die Nationalratswahl wurde trotz des Ibiza-Skandals verloren, daraufhin der glücklose Wahlkampfmanager zum Bundesgeschäftsführer befördert. In dieser Position informierte er 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SPÖ kurz vor Weihnachten per E-Mail über ihre bevorstehende Kündigung und düpierte seinen Kritiker und Vorvorgänger Max Lercher via Boulevardpresse. Rendi-Wagner kündigte als Reaktion auf die Wahlniederlage einen Erneuerungsprozess an, der am Papier dem von ihrem Vorgänger gestarteten Parteireformprozess auffällig ähnelte. Die damaligen Ergebnisse einer
Mitgliederbefragung waren von ihr vom Tisch gewischt worden, ein Aufschrei der Basis rettete einen Teil davon. Nun präsentiert sie ihre eigene.
Der Fragebogen, der demnächst an alle Mitglieder geschickt wird, ist über weite Strecken eine Ansammlung völliger Banalitäten, die am Schluss in der vielbeachteten „Vertrauensfrage“kumulieren: „Soll Pamela Rendi-Wagner Bundesparteivorsitzende bleiben, um für diese wichtigen Themen gemeinsam mit allen in der Partei zu kämpfen?“
Kleine Machtelite
Diese Befragung hat nichts mit innerparteilicher Demokratie zu tun, sondern soll ein für RendiWagner hilfreicher strategischer Schachzug sein. Sie verspricht sich durch den erhofften positiven Rückhalt in der Basis eine Stärkung ihrer Position und fährt damit nebenbei den Wiener Genossinnen und Genossen, die gerade den Vorwahlkampf starten, in die Parade. Gegenüber den Mitgliedern signalisiert sie: Unterstützt mich, denn ihr habt keine andere Wahl. Die gibt es tatsächlich nicht, denn eine Alternativoption ist am Fragebogen nicht vorgesehen.
Derzeit entscheidet eine kleine Machtelite in der Partei, wer Vorge, sitzende der SPÖ wird. So bekam auch Rendi-Wagner ihren Job. Wenn diese Machtelite ihre Meinung überdenkt, wankt die Chefin. Diese Königsmacherinnen und Königsmacher entscheiden im Hinterzimmer über das ob, wann und wer der Ablöse. Dieses Vorgehen ist ein völliger Anachronismus. In nahezu allen europäischen sozialdemokratischen Parteien wird mittlerweile der Parteivorsitz mittels Mitgliederdirektwahl gewählt.
Zuletzt rang sich die krisengebeutelte SPD dazu durch, in einer Situation nicht unähnlich der SPÖ: Ein paar knapp aufeinanderfolgende Vorsitzwechsel, gepaart mit Wahlniederlagen, ließen es so aussehen, als würde sich einfach niemand finden lassen, der die Partei übernimmt. Es traten schließlich sieben Teams mit eigenen Programmen zur Mitgliederdirektwahl an. Auch bei der britischen Labour-Partei steht demnächst eine Vorsitzdirektwahl an. Am 21. Februar bekommen alle britischen Parteimitglieder per Post die Unterlagen zur Wahl von Jeremy Corbyns Nachfolge.
Vorsitzdirektwahlen durch die Mitglieder sind mitnichten ein Garant dafür, die nächste Wahl zu gewinnen. Sie zwingen aber alle Kandidatinnen und Kandidaten vorab zur Beantwortung einer Fra
die Rendi-Wagner bis heute offengelassen hat: Wofür steht die Sozialdemokratie? Auch im Rahmen dieser Mitgliederbefragung legt die SPÖ-Vorsitzende kein Projekt, keine Strategie vor, mit der sie die SPÖ in bessere Zeiten zu führen gedenkt. Die vermeintlich große Geste der „Vertrauensfrage“kommt ohne jegliches konzeptionelle Unterfutter daher, sie ist Taktik ohne Inhalt.
Klarheit schaffen
Für die SPÖ wäre es an der Zeit, Klarheit zu schaffen: Der oder die nächste Parteivorsitzende muss im Rahmen einer kompetitiven Wahl durch die Mitglieder gewählt werden. Erstens hebt das die Qualität: Wer die eigenen Mitglieder nicht von sich überzeugen kann, schafft es bei Wählerinnen und Wählern unmöglich. Zweitens wiegt das Ergebnis deutlich schwerer als ein hastig gefundener Kompromiss der sogenannten Parteigranden und emanzipiert den Vorsitz von ihren Gnaden. Drittens ist es eine Frage der Fairness gegenüber den Mitgliedern, die mit ihren Beiträgen und ehrenamtlichen Leistungen die Organisation wesentlich tragen. Ihnen steht eine echte Wahl zu.
EVA MALTSCHNIG ist Vorsitzende der Sektion Acht der SPÖ Alsergrund. den Anschlag richtigerweise „rechtsradikal“, meinte aber, man müsse gegen „alle Formen“radikalen Gedankenguts ankämpfen.
Gewiss. Aber der rechtsradikale Terrorismus ist – im Unterschied etwa zum islamistischen – bisher deutlich weniger auf dem Radar der Sicherheitsbehörden in Europa gewesen.
Auch in Österreich gibt es rechte Gruppen und „einsame Wölfe“, von denen eine potenzielle Gefahr ausgeht. Auch in Österreich bagatellisieren und vernebeln offizielle Vertreter die Gefährdungslage durch Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus. Diese Realität ist zur Kenntnis zu nehmen. hans.rauscher@derstandard.at