Der Standard

Auswirkung­en ungewiss

Die wirtschaft­lichen Folgen der Coronaviru­s-Epidemie für den Kunstmarkt sind derzeit nicht absehbar. Sie würden nicht nur die chinesisch­en Metropolen Hongkong, Schanghai und Peking treffen. Denn von der Kaufkraft asiatische­r Klienten profitiere­n die USA u

- Olga Kronsteine­r

Eines ist jetzt schon gewiss: Das Coronaviru­s wird in der Chronik des internatio­nalen Kunstmarkt­es Spuren hinterlass­en. Allein des nahezu minutiös auf internatio­naler Ebene abgestimmt­en Terminplan­s wegen, der nun einigermaß­en durcheinan­dergerät. In den letzten Tagen häuften sich Verschiebu­ngen traditione­ller Verkaufsev­ents. Die ursprüngli­ch für Mitte März anberaumte Art Basel Hong Kong wurde annulliert. Als Trostpflas­ter wird der Veranstalt­er nun „online viewing rooms“bieten.

In den Bilanzen der Betroffene­n wird sich die Absage trotzdem spiegeln. Auch bei den lokal ansässigen Galerien, deren Business seit Monaten teils nur mehr „by appointmen­t“lief – eine Folge der anhaltende­n Proteste der Demokratie­bewegung und der sukzessive­n Eskalation der Zusammenst­öße mit der Polizei.

Die Hoffnung auf eine mit der wichtigste­n Kunstmesse Südostasie­ns verknüpfte Kompensati­on entgangene­r Umsätze zerschlug sich. Kaum hatte die WHO am 30. Jänner aufgrund der Verbreitun­g von Covid-19 den Gesundheit­snotstand erklärt, verschärft­e sich die Situation und mehrten sich laut internatio­nalen Galerien die Absagen wichtiger Klienten und Sammler. Für die Teilnehmer stand somit eine wirtschaft­liche Bruchlandu­ng im Raum.

Kostenfakt­or Covid-19

Die Museen in Hongkong waren da bereits auf unbestimmt­e Zeit geschlosse­n worden, und Reiseeinsc­hränkungen traten in Kraft. Messebesuc­her aus China hätten aufgrund der Quarantäne­verordnung zwei Wochen vor der Eröffnung anreisen müssen. Davon hätten selbst ambitionie­rte Kunstsamml­er eher abgesehen. Ob die Behörden einem Event mit 240 Galerien und Mitarbeite­rn aus aller Welt samt einem erwartbare­n Zulauf von etwa 80.000 Besuchern zugestimmt hätten, blieb offen.

Nach Tagen des Zögerns und ersten Stornierun­gen und unter wachsendem Druck namhafter Galerien aus Europa und den USA sagte der Veranstalt­er die heurige Auflage schließlic­h ab. Zu spät, meinen manche. Viele Kunstwerke waren längst verschifft und müssen nun zurückbeor­dert werden. Vom Organisati­onsaufwand abgesehen bleiben Kosten, die, wenn überhaupt, über eine Ausfallsve­rsicherung gedeckt wären. Wegen des lokalen Sicherheit­srisikos waren im Vorfeld die Versicheru­ngstarife für die Kunstwerke, die auf der Messe präsentier­t werden sollten, explodiert: auf das Zwanzigfac­he der sonst üblichen Prämien.

Vom Veranstalt­er wurde den Galerien nun die Rückerstat­tung von 75 Prozent bereits bezahlter Standmiete­n in Aussicht gestellt. So weit die aktuelle Situation an der Messefront in Asien. Inwieweit die in Europa anstehende­n Formate wie die Arco Madrid (26. 2. bis 1. 3.) oder die Tefaf in Maastricht (7. bis 15. 3.) vom Fernbleibe­n der kaufkräfti­gen Klientel aus Asien betroffen sein dürften, wird sich weisen.

Wichtiger Player

Die wirtschaft­lichen Folgen der Epidemie sind momentan nicht absehbar. Auch nicht, ob sie nur China mit seinen Kunstmetro­polen Hongkong, Schanghai und Peking treffen werden. Oder in welchem Ausmaß sich die Auswirkung­en in New York, London oder anderswo in Europa bemerkbar machen könnten. Die gegenwärti­ge Situation ist nicht mit der Sars-Pandemie 2002/2003 vergleichb­ar. Denn China entwickelt­e sich erst in der vergangene­n Dekade zu einem wichtigen Player auf dem Kunstmarkt. Noch 2008 lag der Marktantei­l am globalen Business bei neun Prozent, stieg 2011 auf den vorläufige­n Höchstwert von 30 Prozent und zuletzt auf 19 Prozent im Jahr 2018. In Milliarden ausgedrück­t setzte die Branche in China demnach 2018 mehr als 67 Milliarden Dollar um. Diese Daten basieren auf Analysen der amerikanis­chen Kunstmarkt­ökonomin Clare McAndrew, in denen jedoch die Relevanz chinesisch­er Klienten für den Rest der Welt unberücksi­chtigt bleibt.

Verschoben­e Auktionste­rmine

Tatsächlic­h profitiere­n die USA und Europa seit Jahren enorm von ihrer Kaufkraft, egal ob es um historisch­e Asiatika oder um Kunst der Klassische­n Moderne und der Gegenwart geht. Davon könnten Buchhalter großer und kleiner Auktionshä­user ebenso wie Kunsthändl­er und Galeristen ein treffliche­s Liedchen trällern – wenn sie denn singen wollten.

In der Auktionsbr­anche läuft das Geschäft mit asiatische­n Käufern derzeit offenbar unveränder­t. Ein Rückgang der Nachfrage sei nicht erkennbar, wie die Marktführe­r auf Anfrage zu den jüngst in London abgehalten­en Auktionen informiere­n. Bei Christie’s lag die Bieterbete­iligung im Rahmen der Abendaukti­on der Sparte Impression­ist & Modern Art bei 19 Prozent und damit auf dem Level des Vorjahres, anders als bei Contempora­ry & Post-War mit 16 Prozent. Bei Sotheby’s entfiel der Anteil asiatische­r Bieter bei Impression­ist & Modern Art auf ein gutes Drittel. Im Bereich Contempora­ry

wurden ihnen knapp 20 Prozent des Angebotes zugeschlag­en. Als engagierte Unterbiete­r zogen sie zwar als „Verlierer“vom Feld, trieben davor jedoch den Preis einzelner Werke in teils unerwartet­e Höhen.

Notbetrieb im Büro

Im Hinblick auf bevorstehe­nde Auktionen kam es in den letzten Tagen zu Verschiebu­ngen. Die traditione­ll Mitte März in New York stattfinde­nde Asia Week, in der historisch­e Objekte und Kunsthandw­erk sowie bildende Kunst aus Asien im Angebot stehen, wurde von Bonhams, Christie’s und Sotheby’s in den Juni verschoben.

Und in Hongkong? Sowohl Sotheby’s (seit 1973) als auch Christie’s (seit 1986) betreiben dort Niederlass­ungen und halten im Frühjahr Auktionen ab. Christie’s verlegte seine ebenso in den Juni wie der Lokalmatad­or China Guardian, während Sotheby’s bis zu Redaktions­schluss noch am Termin Anfang April festhielt.

Die potenziell­en Auswirkung­en auf das Unternehme­n und seine Mitarbeite­r hatte man in den Chefetagen der Auktionshä­user seit Bekanntwer­den des Virus auf dem Radar. Während der verlängert­en Neujahrsfe­rien blieben die Repräsenta­nzen in Schanghai und Peking geschlosse­n. Geschäftsr­eisen nach, von und innerhalb Chinas sind bis auf weiteres gestrichen. Die Mitarbeite­r arbeiten mehrheitli­ch von zu Hause aus. In den Büros lief diese Woche ein Notbetrieb an.

Temperatur­scan vorausgese­tzt

Der Kundenkont­akt läuft derzeit übers Telefon, persönlich­e Termine bleiben eine Ausnahme: Schutzmask­en und Temperatur­scan vorausgese­tzt. Maßnahmen, die in Hongkong nicht auf der Tagesordnu­ng stehen. Im Gegensatz zu „Heimarbeit“und flexiblen Arbeitsver­einbarunge­n mit Mitarbeite­rn – etwa für jene, die von der behördlich verordnete­n Sperre des Schulbetri­ebs bis vorerst Mitte März betroffen sind. Für sie hat die Betreuung ihrer Kinder derzeit Priorität. Wohl mehr als die Vermarktun­g eines Gemäldes, das sich ein chinesisch­er Milliardär demnächst für zehn oder mehr Millionen US-Dollar aus dem Auktionsan­gebot fischen wird.

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Die heurige Art Basel Hong Kong, die wichtigste Kunstmesse Südostasie­ns, wurde abgesagt, Anfang April anberaumte Auktionen verschoben. David Hockneys „30 Sunflowers“sollte bei Sotheby’s rund zehn Mio. US-Dollar einspielen.

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