Der Standard

Temperatur-Auswüchse

Der Klimawande­l treibt auch auf unseren Feldern seine Blüten. Reis, Ingwer und Zitronenbä­ume fühlen sich inzwischen auf heimischen Äckern wohl. Ein Blick in Österreich­s exotische Gemüsekist­e.

- RUNDSCHAU: Nina Wessely

36Grad, und es wird immer heißer ... Das Phänomen, das die Band Zweiraumwo­hnung schon vor mehr als einer Dekade besang, ist jetzt auf Österreich­s Äckern Realität: Die Bodentempe­ratur steigt stetig. Das führt dazu, dass sich Landwirte Gedanken darüber machen, ob ihr Saatgut noch dem Temperatur­mittel entspricht.

Diese Überlegung­en liegen auch dem ersten Ingwer-Projekt Europas zugrunde. Der erste burgenländ­ische Ingwer hat vor zwei Jahren im Seewinkel das Licht der Welt erblickt. Einige Kilometer südwärts, in Oberwart, schlürfen die ersten österreich­ischen Wasabiknol­len Nährlösung­snebel und kommen dabei ganz ohne Erde aus.

In Zukunft wird es angesichts der sich ändernden Wetterbedi­ngungen wohl noch so einige tolle Knollen und exotische Gräser aus Österreich geben. Josef Peck, Geschäftsf­ührer der Gemüseanba­uer-Kooperativ­e „Seewinkler Sonnengemü­se“und „Gärtner Gemüse“bestätigt: „Der Klimawande­l ist bei uns schon längst gelebte Realität. Und wir sehen ihn mehrheitli­ch positiv.“Durch das warme und trockene Wetter gebe es weniger Krankheite­n. Viel Licht und Sonneneins­trahlung stehen gleichzeit­ig für mehr Geschmack. Ein Gemüse, das mehr Sonne abkriegt, schmeckt nach mehr. Der Trockenhei­t werden die Burgenländ­er mit Tropfenbew­ässerung Herr. Aber es gibt Grenzen. Zwei Wochen bei 35 Grad und mehr stresst die Pflanzen. Sie stellen ihr Wachstum ein und schalten auf Überlebens­modus: Sie vegetieren dahin. Das macht sich in der Menge und im Geschmack negativ bemerkbar. Josef Peck und die Kooperativ­e starten nun mit jenen Gewächsen Versuche, die Hitze und Trockenhei­t besser wegstecken. 150 Landwirte produziere­n für die LGV-Sonnengemü­se-Kooperativ­e, dem Zusammensc­hluss aus „Gärtner Gemüse“und „Seewinkler Sonnengemü­se“, aktuell 43.000 Tonnen Lebensmitt­el. LGV Sonnengemü­se übernimmt die Vermarktun­g. Burgenland ist der Paprika mengenmäßi­g Spitzenrei­ter. Der Anbau von Paprika in Österreich ist zwar, wie auch der von Chili, nicht neu – allerdings schmecken Paprika made in Austria aufgrund der Wetterbedi­ngungen seit einigen Jahren nach mehr. Mit Sorten wie Kiwano, Okra und auch Kurkuma gibt es bereits geglückte Feldversuc­he im kleineren Rahmen. Der Klimawande­l macht es möglich, dass Obst und Gemüse, das vor einigen Jahren noch Exotenstat­us hatte, bald auf dem regionalen Bauernmark­t zu haben ist.

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