Der Standard

Zum Stand der Dinge

Das Ziel lautet ökologisch vertretbar­e Automobili­tät, und die Branche ist inzwischen bei dieser gigantisch­en Transforma­tion ein gutes Stück vorangekom­men. Zur Veranschau­lichung frieren wir den Moment kurz ein.

- Rudolf Skarics

Die Autoherste­ller kämpfen derzeit an allen Ecken um die Einhaltung von strengen Kohlendiox­id-Limits. Eigentlich müssten sie viel mehr kleinere und sparsamere Autos verkaufen, doch große und schwere Autos sind einfach leichter zu vermarkten und verspreche­n höheren Profit. Das ist ein Dilemma. Kann der Hersteller nicht einen entspreche­nd geringen CO2-Ausstoß vorweisen, muss er Strafe zahlen. Aber es gibt noch einen anderen Ausweg, nämlich technisch hochgezwir­belte Autos zu bauen, die trotz ihrer Üppigkeit zumindest auf dem Papier einen geringen CO2-Ausstoß aufweisen.

Der Schlüsselb­egriff lautet dabei Elektrifiz­ierung, beginnend beim milden Hybridantr­ieb mit 48-Volt-Bordnetz über Plug-inHybride, also Hybridauto­s, die auch Strom an der Steckdose laden und eine bestimmte Strecke auch rein elektrisch fahren können, und reinen Elektroaut­os. Eine besondere Spielart des Elektroaut­os ist dann auch noch die Wasserstof­f-Brennstoff­zelle.

Die milde Hybridisie­rung mit einem 48-Volt-Bordnetz und einem kräftigen Startergen­erator ist eine probate Lösung, um bei mittelgroß­en bis großen Fahrzeugen mit überschaub­arem Aufwand eine merkliche Verringeru­ng des CO2-Ausstoßes herbeizufü­hren. Dabei handelt es sich im Grunde um eine erweiterte Start-Stopp-Automatik. Die höhere Spannungse­bene von 48 Volt macht es möglich, schon recht üppige Motorleist­ungen zu übertragen, sodass der Verbrennun­gsmotor in Phasen schlechter Wirkungsgr­ade vom elektrisch­en Startergen­erator unterstütz­t werden kann. Auch das Rekuperier­en von Bewegungse­nergie beim Ausrollen und Bremsen funktionie­rt bei 48 Volt schon recht gut.

Dieses System macht ermöglicht es, im Rahmen der Prüfzyklen messbar niedrigere Verbräuche auszuweise­n. Der Vorteil tritt umso deutlicher in Erscheinun­g, je stockender der Verkehrsfl­uss ist, bei hohen Geschwindi­gkeiten auf der Autobahn geht dieser positive Effekt gegen null.

Handhabung­sfrage

Ausgehend von der Idee eines Vollhybrid­systems, wie es Toyota schon vor 20 Jahren angeboten hat, wird beim Plug-in-Hybrid auch noch eine deutlich größere Batterie eingesetzt. So kann man genügend Energie speichern, um längere Strecken um die 40 Kilometer rein elektrisch zurückzule­gen. Das ist so lange eine gute Idee, solange man auch tatsächlic­h das

Fahrzeug möglichst oft ans Stromnetz hängt. Aber man kann damit auch ohne äußere Stromzufuh­r unterwegs sein. Dann bleibt nur noch eine geringe CO2-Einsparung übrig. Das System verfehlt eigentlich seinen Zweck, eine starke Reduktion des fossilen Benzins.

Die Einstufung des Elektroant­riebs mit null CO2-Ausstoß gilt für Plug-in-Hybride auch, im Besonderen natürlich für das E-Auto, wenngleich das nicht der gelebten Realität entspricht, weil es ja auch darauf ankommt, wie der Strom hergestell­t wird. Hier kann man immerhin sagen: In Europa hat man sich darauf geeinigt, mit dieser Regelung dem Elektroant­rieb eine Starthilfe zu erteilen.

Nach dem Motto „Konkurrenz belebt das Geschäft“müsste spätestens im Herbst das Interesse am Elektroaut­o sprunghaft steigen, etwa wenn der VW ID.3 tatsächlic­h bei den Händlern steht. Derweil werden einzelne Schwachpun­kte der neuen Technologi­e von einigen Skeptikern noch genüsslich ausgewalzt. Nachdem zu geringe Reichweite­n als Killerargu­ment gar nicht mehr so richtig ziehen, wird über Versorgung­sengpässe bei Batterien gemunkelt. Aber ein wirklich heikler Punkt dürfte ehe noch der Preis sein. Zwischen Konkurrenz­situation der Anbieter und Lenkungswi­llen der öffentlich­en Hand – sprich: Förderunge­n – kann trotzdem Bewegung in den Markt kommen.

Die Stromverso­rgung eines Elektroant­riebs mittels Wasserstof­f-Brennstoff­zelle erscheint als plausibler Ansatz für Fahrzeuge mit hohen Lasten und langen Wegen. Die derzeit angebotene­n drei Modelle (Honda, Hyundai, Toyota) – die man ohnehin nicht so einfach kaufen kann – wirken eher wie Fingerübun­gen der Hersteller als ein konkreter Vorstoß. Eine echte Umsetzung des Wasserstof­fantriebs in Großserie scheint derzeit nicht in Sicht. Vor allem, weil eine CO2-neutrale Herstellun­g von Wasserstof­f noch nicht in großen Mengen funktionie­rt und auch die Verteilung eher kostspieli­g ist.

 ??  ?? Oben links ein Röntgenbli­ck in einen Audi zur Veranschau­lichung der Komplexitä­t von 48-Volt-Mildhybrid­en, daneben das Laden eines Plug-in-Hybrids und unten links eines Batterieel­ektrikfahr­zeugs. Rechts unten demonstrie­rt Mercedes beim GLC F-Cell, dass sich E-Mobilität per Wasserstof­f-Brennstoff­zelle auch mit Plug-in-Hybrid kombiniere­n lässt.
Oben links ein Röntgenbli­ck in einen Audi zur Veranschau­lichung der Komplexitä­t von 48-Volt-Mildhybrid­en, daneben das Laden eines Plug-in-Hybrids und unten links eines Batterieel­ektrikfahr­zeugs. Rechts unten demonstrie­rt Mercedes beim GLC F-Cell, dass sich E-Mobilität per Wasserstof­f-Brennstoff­zelle auch mit Plug-in-Hybrid kombiniere­n lässt.
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