Der Standard

Abschied von einem Winter, der keiner war. Kleine Öko-Erfolge und große Schmutzfin­ken

- Die Krisenkolu­mne Von Christoph Winder

Ich muss gestehen, dass ich heuer den Winter bedrückt hinter mir lasse. Es ist ein Gefühl, als läge etwas Unstimmige­s, deprimiere­nd Abnormes in der Luft, das ankündigt: Es kommt nichts Besseres nach. Habe ich vorher „Winter“geschriebe­n? Dann sollte ich meine Wortwahl überdenken, denn von einem wirklichen Winter gab es wenig zu sehen.

Ein, zwei mickrige und schnell wieder verschwund­ene Schneedeck­en

auf dem Land in Niederöste­rreich habe ich gesehen. In Wien hat es ein paar lausige Flocken geschneit, und das war’s dann schon. Jetzt ist der Frühling da, und mit ihm angeblich so viele Zecken wie noch nie. Wenn Sie vorhaben, bald zu gärtnern, wäre es gut, sich mit einem Raumfahrta­nzug einzudecke­n. Zecken sind gefährlich, besonders die dicken fetten neuen, die nun bei uns heimisch werden.

Für alle erwähnten Wetterphän­omene gibt es ein Wort, und dieses Wort heißt: Erderwärmu­ng. Rechtsdreh­ende Hobbymeteo­rologen mögen deren Existenz abstreiten und behaupten, sie sei eine lächerlich­e Erfindung von Autohasser­n, Tempo-140Gegnern,

Kampfvegan­ern und ähnlich wehleidige­m Geschmeiß. Wer allerdings noch mit einem inneren Thermostat­en und einer elementare­n Fähigkeit zur Wahrnehmun­g versehen ist, der fühlt und weiß, dass hier etwas geschehen ist und dass etwas geschehen muss, und zwar schnell.

Und es geschieht ja auch etwas. Umwelt- und Klimaschut­z, so weit das Auge reicht, und das auch im sogenannte­n Kleinen. Die ÖBB druckt Rechnungsb­elege für Fahrkarten nur noch auf Wunsch aus. Im Hotel kann der Gast mit dem Aufhängen des Handtuchs signalisie­ren: nicht waschen, wird nochmals benutzt. Verlage verschicke­n ihre Rezensions­exemplare ohne Plastikver­packung.

Wer seine drei Äpfel in der Obstabteil­ung des Supermarkt­s unbedingt verpacken will, der kann dies auch in einem wiederverw­ertbaren Papierstan­itzel tun.

All dies funktionie­rt nach dem schönen Motto „Kleinvieh macht auch Mist“und ist prinzipiel­l lobenswert. Weniger schön wäre es, wenn man ob kleiner Erfolge die großen Schmutzfin­ken aus den Augen verlöre, die lieber den Planeten ruinieren als ihre Bilanzen und zynisch weiterfuhr­werken wie gewohnt. Gegen die hilft das ökologisch korrektest­e Papiersack­erl nichts, gegen die helfen nur geharnisch­te Proteste und eine Politik, die Nägel mit Köpfen macht.

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