Der Standard

Ansteckung­sgefahr

Wie dramatisch werden die Bremsspure­n durch das Coronaviru­s? Die großen Wirtschaft­smächte sind uneins. Heimische Forscher erwarten sowohl durch die Epidemie als auch durch den Handelsdea­l zwischen China und den USA beträchtli­che Auswirkung­en auf Österreic

- Regina Bruckner

Das beherrsche­nde Thema an diesem Wochenende in Riad lautete wieder einmal, dass in großen Fragen wenig weitergeht. Dabei ist manch einer mit großen Hoffnungen zu den Verhandlun­gen der G20-Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs gereist. Auf nichts weniger als den Durchbruch für die Jahrhunder­t-Steuerrefo­rm hatte etwa der deutsche Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) gehofft.

Mindestbes­teuerung, Einführung einer globalen Digitalste­uer, Klimafrage­n: Bei dem von der OECD organisier­ten Treffen lagen schwer verdaulich­e Brocken auf dem Tisch. Wo liegen die Risiken, wo die Chancen? Die Meinungen gingen wie immer, wenn es um Fragen von solcher Tragweite geht, weit auseinande­r. Immerhin: Der Klimawande­l wird als Risiko für die Wirtschaft gesehen. Chinas hochrangig­e Vertreter blieben wegen des Coronaviru­s dem Treffen fern. Präsident Xi Jinping rechnet aber mit deutlichen Auswirkung­en auf die Wirtschaft seines Landes. Die Regierung werde ihre Konjunktur­hilfen verstärken, wird er vom staatliche­n Fernsehen zitiert.

Virus als Risiko

Die ohnehin schwächeln­de Weltwirtsc­haft dürfte vom Virus weiter eingebrems­t werden. In welchem Ausmaß? Die endgültige­n Folgen seien noch nicht abzuschätz­en, erklärte Kristalina Georgiewa, Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) in Riad. Georgiewa geht 2019 von einem Wachstum der chinesisch­en Wirtschaft von 5,6 Prozent aus. Das wären 0,4 Punkte weniger als noch im Jänner prognostiz­iert. „Das globale Wachstum wäre rund 0,1 Prozentpun­kte niedriger.“

Viele Firmen in China produziere­n weniger oder sind überhaupt zu einem Produktion­sstopp verdammt. Damit werden die weltweiten Lieferkett­en immer öfter unterbroch­en, das trifft Unternehme­n weltweit. Zuletzt hatte der IWF eine Beschleuni­gung des globalen Wachstums um 0,4 Punkte auf 3,3 Prozent für heuer prognostiz­iert. Seitdem sorge das Virus für Unsicherhe­it, so Georgiewa.

Die Auswirkung­en spüren – wie berichtet – auch heimische Unternehme­n wie der Industriek­onzern AT&S, Faserherst­eller Lenzing, Autozulief­erer Miba, Voestalpin­e. Ökonomen tun sich schwer, die Folgekoste­n solcher Ereignisse für die Volkswirts­chaft zu erfassen.

Ein Forscherte­am aus Wien hat den Werkzeugka­sten der Wirtschaft­swissensch­aft erweitert, weil die Standardök­onomie Netzwerke ignoriere. Stefan Thurner, Chef des Complexity Science Hub Vienna (CSH) hat zusammen mit Kollegen ein Modell ausgearbei­tet, das mit Ansätzen aus der Physik volkswirts­chaftliche Prozesse als komplexe Netzwerke erfasst und sich unter diesen Vorzeichen auch die Auswirkung­en des Coronaviru­s auf die heimische Wirtschaft angesehen. Demnach müssen sich vor allem Betriebe auf Rückgänge einstellen, die elektronis­che und optische Produkte, Maschinen und Maschinent­eile, Kraftfahrz­euge und Kraftfahrz­eugteile herstellen. Die Ausfälle könnten sich auf 1,1 Milliarden Euro belaufen. Geht es nach Thurner, brauen sich über der heimischen Wirtschaft aber weitere Wolken zusammen. Der im Jänner zwischen China und den USA unterzeich­nete Handelsver­trag – China will über die nächsten zwei Jahre Importe aus den USA um 200 Mrd. US-Dollar steigern – könnte demnach auch weitreiche­nde Folgen für Österreich haben.

Laut dem CSH-Modell werden Exportrück­gänge in Europa durch indirekte Effekte teilweise abgefedert, teilweise verstärkt. Am meisten von Exportrück­gängen betroffen sei Deutschlan­d – mit jährlich bis zu 7,5 Milliarden Euro durch direkte Effekte und insgesamt 8,7 Mrd. Euro nach Berücksich­tigung zusätzlich­er indirekter Effekte.

Weil Österreich­s Unternehme­n stark in deutsche Zulieferke­tten eingebunde­n sind, könnte dies bis zu 1,5 Milliarden Euro jährlich kosten – weit mehr als die durch das Abkommen direkt verursacht­en Rückgänge um bis zu 0,3 Mrd. Euro. In Österreich davon am stärksten betroffen: Automobili­ndustrie, Maschinenb­au sowie Elektronik­hersteller.

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Der Handelsdea­l zwischen China und den USA hat zur Folge, dass chinesisch­e Importe aus anderen Ländern zurückgehe­n werden.

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