Lehrergewerkschaft geht mit Klage gegen Bewertungs-App vor
Von Schüler entwickeltes Tool ist nach wochenlanger Pause nun wieder online
– Die umstrittene Lehrer-Bewertungs-App Lernsieg ist seit Montag wieder online. In den kommenden Wochen soll es Erweiterungen geben, denn aufgrund neuer Investoren könne man nun „einiges umbauen“, erklärte der Gründer Benjamin Hadrigan. Möglich seien etwa Kommentarfunktionen für Lehrer wie Schüler. Für die App sei eine Datenbank mit rund 90.000 Lehrern und den entsprechenden Schulen angelegt worden.
Obwohl die Datenschutzbehörde in einem Bescheid die Rechtskonformität der App bestätigt hat, will die Lehrergewerkschaft das Tool mit Klagen stoppen. Eine von mehreren eingereichten Musterklagen sei bereits für ein Verfahren zugelassen worden, sagte am Montag der Vorsitzende der Arge
Lehrer in der GÖD, Paul Kimberger. „Es haben sich tausende Kolleginnen und Kollegen an die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst gewandt, damit ihre Rechte gewahrt bleiben“, betonte der oberste Lehrervertreter.
Kimberger sieht durch die App nicht nur weiterhin Datenschutz und Persönlichkeitsrechte verletzt, er ortet auch eine „riesige Handynummersammelaktion“. Lernsieg-Gründer Hadrigan entgegnet: „Wir werden niemals Nummern verkaufen oder sonst etwas damit zu Marketingzwecken machen.“Telefonnummern würden abgefragt, um sicherzustellen, dass Schüler nur eine Schule beziehungsweise deren Lehrer bewerten, so Hadrigan. Vor Klagen der Gewerkschaft habe er „keine große Angst“. (red)
Tausende Lehrerinnen und Lehrer haben sich mit Beschwerden und Sorgen gemeldet, als im November 2019 die Lehrerbewertungs-App erstmals an den Start gegangen ist. Das sagt Paul Kimberger, Vorsitzender der Pflichtschullehrer-Vertreter in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) gegenüber dem STANDARD. Die damalige Meinung zu „Lernsieg“hat sich bis heute nicht geändert. Wichtige zwischenmenschliche Arbeit, wie sie an den Schulen geleistet werde, lasse sich nicht einfach mit einer Sternchenskala einstufen, meint Kimberger.
Speziell mit der Einschätzung der Datenschutzbehörde, die ihr Verfahren gegen „Lernsieg“vor wenigen Wochen eingestellt hat, ist man nicht zufrieden. Man sehe einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz,
da die Rechte der Schüler über jene der Lehrer gestellt würden – was verfassungswidrig sei.
Unmittelbar hat man keine Reaktion auf das Comeback der App geplant. Es sei aber durchaus denkbar, dass man in den nächsten Tagen Informationsschreiben an die Schulen verschicke. Derzeit prüfen die Anwälte der GÖD die Sachlage noch.
Fünf Klagen
Letztlich werden weder das Ministerium noch die Datenschutzbehörde darüber befinden, ob „Lernsieg“Bestand haben werde oder nicht, sondern „ordentliche Gerichte“, sagt Kimberger. Insgesamt fünf Musterklagen wurden schon letztes Jahr vorbereitet und teilweise schon eingebracht. Ein erstes Verfahren dürfte in den kommenden Wochen
anlaufen. Bei den Klagen geht es um mehrere Aspekte. Neben dem Datenschutz und dem Umgang mit Persönlichkeitsrechten soll dabei auch die Frage nach einer etwaigen Gewinnbeteiligung gestellt werden, zumal die Betreiber mit ihrer Bewertungsplattform langfristig Einnahmen erzielen wollen. Da immerhin Lehrerdaten der Grundpfeiler des Geschäftsmodells seien, müsse man klären, ob den Lehrern nicht ein Teil vom derzeit noch fiktiven Kuchen zusteht, erklärt Kimberger.
Bis alle diese Problematiken ausjudiziert sind, wird allerdings noch viel Wasser die Donau hinabfließen. Doch wohin können sich Lehrkräfte wenden, die der Meinung sind, dass ihre Arbeit auf „Lernsieg“aus Böswilligkeit schlecht dargestellt wird? Hier bieten sich zwei Optionen an: Zum einen können sie Kontakt zu den Betreibern der App aufnehmen und dort die Löschung von Bewertungen verlangen, die sie nicht für ehrlich oder authentisch halten. Freilich muss dabei auch argumentiert werden, inwiefern die Bewertungen rechtswidrig seien. Zum anderen bietet sich die GÖD als Anlaufstelle für Betroffene an. Jeder vorgebrachte Einzelfall soll von den Anwälten der Organisation geprüft werden, verspricht man.
App-Erfinder Benjamin Hadrigan versuchte anlässlich des Comebacks die andere Seite ins Boot zu holen. Er habe sowohl Kimberger als auch Bildungsminister Heinz Faßmann um Gesprächstermine gebeten, um ihre Rückmeldungen in die Weiterentwicklung von „Lernsieg“einfließen zu lassen, sagt er. Eine Antwort habe er bis heute jedoch nicht erhalten. (gpi)