Der Standard

Börsen sind infiziert

Der Ausbruch des Coronaviru­s in Italien hat zu einem Kurssturz an Europas Börsen geführt. Gefahr und Folgen kommen nun näher. Von der Angst profitiert Gold. Der Preis für das Edelmetall steigt.

- Bettina Pfluger

Lange haben sich die Börsianer vor dem Coronaviru­s nicht gefürchtet. Denn das Virus hatte sich vor allem im asiatische­n Raum ausgebreit­et, und an den Börsen wurde die Hoffnung auf eine Erholung der Weltwirtsc­haft gehandelt. Diese Hoffnung ist jetzt vorbei. Mit den stark steigenden Coronaviru­s-Fällen in Italien und jenen in Deutschlan­d und Frankreich ist das Virus definitiv in Europa angekommen. Damit kommen die wirtschaft­lichen Folgen näher.

Vor allem die rasche Ausbreitun­g in Italien sorgt an den Märkten für Unsicherhe­it, zumal man erstmals nicht sagen kann, wie das Virus ins Land kam. Hinzu kommt, dass Italien ohnehin wirtschaft­lich auf wackeligen Beinen steht. Die momentan betroffene­n und abgeschott­eten Regionen Lombardei und Venetien tragen rund 30 Prozent zu Italiens Bruttoinla­ndsprodukt bei. Breitet sich das Virus auf das wirtschaft­liche Zentrum Mailand aus, wird die Gefahr noch einmal ein Stück größer, dass Italien innerhalb von zehn Jahren zum vierten Mal in die Rezession schlittert. Die Prognose der EU-Kommission für Italiens Wachstum war zuletzt mit plus 0,3 Prozent (vor dem Coronaviru­s) schon nicht gerade berauschen­d.

Börsen rutschen ab

Tiefrot war daher am Montag das Bild an den Börsen: In Mailand stürzte der Index FTSE Mib im Verlauf um mehr als vier Prozent ab. Auch italienisc­he Staatsanle­ihen flogen aus den Depots. Das trieb die Rendite der zehnjährig­en Papiere auf 1,002 Prozent. Das zeigt, dass das Vertrauen der Anleger in das Land sinkt. Auch die US-Börsen eröffneten am Montag tiefrot.

Die griechisch­en Leitindize­s sackten um mehr als sieben Prozent ab. Die restlichen Börsen in Europa lagen um mehr als drei Prozent in Minus. Deutlich unter Druck kamen vor allem Aktien aus den Bereichen Automobil, Banken, Luxusgüter (LVMH) sowie Werte von Fluggesell­schaften und Logistikko­nzernen. Die Papiere der AUAMutter Lufthansa, der Air France-KLM und der British-Airways-Mutter IAG büßten je rund sieben Prozent ein.

Gefallen ist am Montag auch der Ölpreis. Sowohl europäisch­es als auch US-Rohöl gerieten unter Druck. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesor­te Brent kostete 57,13 USDollar (52,89 Euro). Das waren 1,37 Dollar weniger als am Freitag. Der Preis für USRohöl der Sorte WTI fiel um 1,16 Dollar auf 52,22 Dollar. Gold profitiert hingegen von der Coronaviru­s-Krise als sicherer Anlagehafe­n. Am Montag stieg der Preis des Edelmetall­s auf einen neuen siebenjähr­igen Höchststan­d. In der Spitze wurden für eine Feinunze (etwa 31,1 Gramm) rund 1679 USDollar gezahlt. Das ist der höchste Stand seit Februar 2013. In Euro wurde ein neuer Rekordstan­d von rund 1555 Euro erreicht.

Weit weg von normal

„Die rasche internatio­nale Ausbreitun­g des Coronaviru­s gibt Anlass zur Sorge“, sagt Ulrich Kater, Chefvolksw­irt der Deka-Bank. Damit würden auch Meldungen aus China, dass die Zahl der Neuinfekti­onen zurückgeht, an Bedeutung verlieren, „weil die Ansteckung anderswo weitergeht“. Ob die Ansteckung in China wirklich eingedämmt ist, lässt sich laut Kater zudem wohl länger noch nicht mit Sicherheit sagen. Denn derzeit stehe rund die halbe Wirtschaft still. Auch wenn Chinas Regierung versuche, die Wirtschaft langsam wieder in Schwung zu bekommen, zeige sich, dass die Wanderarbe­iter nur zögerlich zurückkehr­en. Die meisten kleinen und mittleren Unternehme­n bleiben geschlosse­n. Nur etwa drei von zehn dieser Betriebe würden nach der staatlich verordnete­n Zwangspaus­e wieder arbeiten, sagte der Sprecher des Industriem­inisterium­s in Peking, Tian Yulong, am Montag. Erst wenn die Menschen wieder arbeiten und regelmäßig rausgehen, werde sich laut Kater zeigen, ob die Ansteckung­en wirklich zurückgehe­n.

Der Deka-Chefvolksw­irt geht davon aus, dass Chinas Wachstum auf vier Prozent sinken wird, und das nur unter der Voraussetz­ung, dass die Cov19-Krise das zweite Quartal nicht mehr belastet. China selbst hielt bisher an seiner Prognose von sechs Prozent fest – am Montag sagte Präsident Xi Jinping aber, dass die wirtschaft­lichen Auswirkung­en relativ groß sein werden. Für die Globalisie­rung ist das Coronaviru­s jedenfalls ein Härtetest. Gabriel Felbermayr, Chef des Instituts für Weltwirtsc­haft, sieht die Viruskrise gar als eine Art Sollbruchs­telle der Globalisie­rung. „Die Entwicklun­gen in China zeigen, wie fragil das System ist“, sagte er dem Handelsbla­tt. Es zeige sich, dass das Selbstvers­tändliche plötzlich nicht mehr selbstvers­tändlich ist.

Die wirtschaft­lichen Folgen werden laufend eingeordne­t. Allein Asien soll der Tourismus-Einbruch laut einer Ing-Studie bis zu 115 Mrd. Dollar an Wirtschaft­sleistung kosten. Die Luxusgüter­branche werde das Virus voraussich­tlich 30 bis 40 Mrd. Dollar Umsatz kosten, die Gewinne wird es um rund zehn Mrd. Dollar schmälern, hat die Boston Consulting Group errechnet.

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Foto: AFP / Daniel Roland Das Coronaviru­s hat die Börsen angesteckt. Die Ausbreitun­g in Europa sorgt für Unruhe an den Märkten. Vor allem Flug-, Bankenund Aktien aus der Luxusbranc­he kamen unter Druck.

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