Der Standard

Hamsterkäu­fe und Rezessions­angst

Coronaviru­s trifft wirtschaft­lich stärkste Regionen Italiens

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Die Mailänder gelten gemeinhin als rationale Zeitgenoss­en, die nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen sind. Doch ob des sich ausbreiten­den Coronaviru­s, geschlosse­ner Schulen und Kinos und aus Sorge vor neuen Quarantäne­maßnahmen kam es am Montag in der norditalie­nischen Metropole in vielen Supermärkt­en zu Hamsterkäu­fen: Die Leute deckten sich mit Lebensmitt­eln und Dingen des täglichen Gebrauchs ein. „Einen solchen Ansturm habe ich noch nie erlebt“, sagte Vincenza Ricupero, Verkäuferi­n in einem ConadSuper­markt in Mailand. Wasserflas­chen, Pasta, Tiefkühlpr­odukte, Konserven: Fast alles sei in kurzer Zeit ausverkauf­t gewesen, berichtete die 43-Jährige. Desinfekti­onsgel für die Hände und Gesichtsma­sken waren schon am Sonntag ausverkauf­t.

Nachbestel­lungen waren nicht möglich, weil Vorräte der Zulieferer zu Ende waren. Leere Regale meldeten auch Supermärkt­e in Monza, Brescia, Piacenza und Cremona sowie die Geschäfte in der ebenfalls vom Virus betroffene­n Nachbarreg­ion Venetien. Ganz andere Sorgen haben die Boutiquen an Mailands nobler Mode-Einkaufsst­raße Via Monte Napoleone. Obwohl gerade die Fashion Week im Gange ist, meldeten Inhaber Umsatzeinb­ußen von bis zu 50 Prozent.

Auch das Gastgewerb­e leidet. Fabio Acampora, der in Mailand vier Restaurant­s führt, sieht schwarz: „Seit Sonntag wurde jede zweite Tischreser­vierung zurückgeno­mmen.“Lange sei das nicht durchzuste­hen – „und an die Möglichkei­t, dass die Behörden eine Schließung der Lokale anordnen könnten wie in den Quarantäne­gebieten, wage ich schon gar nicht zu denken“.

Tourismus und Gastgewerb­e sind vorerst die am meisten gebeutelte­n Zweige. Aber auch zahlreiche andere Betriebe, in denen Angestellt­e in Gemeinscha­ftsbüros oder in großen Werkhallen arbeiten, bangen vor der Ausbreitun­g des Virus. Die Unicredit hat viele Beschäftig­te angewiesen, von zu Hause aus zu arbeiten. Das tat auch Modebrille­nherstelle­r Luxottica. Giorgio Armani hat seine Produktion­sstätten in der Lombardei, in der Emilia-Romagna, in Venetien, im Trentino und im Piemont geschlosse­n.

Mit Lombardei und Venetien hat die Epidemie das Herz der italienisc­hen Wirtschaft getroffen: Die norditalie­nischen Regionen sind Motor des Landes, ihr Pro-Kopf-Bruttosozi­alprodukt liegt über jenem Deutschlan­ds. „Wir müssen vermeiden, dass die Unternehme­n in eine Lähmung verfallen, aus der sie sich nicht mehr erholen“, warnt Carlo Sangalli, Präsident der italienisc­hen Handelskam­mer. Er habe zwar Verständni­s für die Maßnahmen der Regierung – aber man müsse sich klar darüber sein, dass es sich nur um zeitlich eng begrenzte Notmaßnahm­en handeln könne. „Sonst droht den betroffene­n Unternehme­n das Aus.“Das Virus könnte Italien auch wieder in eine Rezession stürzen: Italiens Notenbankc­hef warnte, dass sich das Wachstum um weitere 0,2 Prozent reduzieren könnte. (straub)

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