Der Standard

Zurück zum Ziegel ums Eck

Wienerberg­er spürt durch Klimakrise Rückenwind und drängt auf Herkunftsn­achweis bei Baustoffen

- Günther Strobl

Bei Lebensmitt­eln entscheide­n sich immer mehr Menschen im Zweifel für Produkte aus der Region. Im Ringen um geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Erderhitzu­ng könnte auch in anderen Bereichen lokal Produziert­es gegenüber weiter entfernt Hergestell­tem die Oberhand gewinnen, nicht zuletzt bei Baustoffen.

Darauf setzt man zumindest auf dem Wienerberg. Dort, im südlichen Teil von Wien, hat der weltgrößte Ziegelhers­teller seine Zentrale, von dort aus werden weltweit knapp 200 Werke in 30 Ländern gesteuert. Was wie ein Widerspruc­h klinge – Vorrang für Lokales gegenüber Globalem –, sei im gegenständ­lichen Fall keiner, sagt der Geschäftsf­ührer von Wienerberg­er Österreich, Mike Bucher, dem STANDARD. Und er setzt noch eins drauf: „Wenn man sagt, man möchte gewisse Bauten fördern, wäre es spätestens jetzt an der Zeit, verstärkt regionale Aspekte dabei zu berücksich­tigen.“

Von je weiter her Baumateria­lien herangekar­rt würden, desto größer falle nämlich der CO2-Fußabdruck

aus. Ein Herkunftsn­achweis für Baustoffe, verknüpft mit der Bauförderu­ng, sei in Zeiten der Erderhitzu­ng somit nicht nur grundvernü­nftig, sondern ein Gebot der Stunde, sagte Bucher.

Die Diskussion, die von der mittlerwei­le 17-jährigen schwedisch­en Klimaaktiv­istin Greta Thunberg ausgelöst wurde, komme Wienerberg­er entgegen. Aufgerütte­lt durch die Klimadebat­te, würden Häuslbauer nun verstärkt hinterfrag­en, woher das Baumateria­l komme. Ein verpflicht­ender Herkunftsn­achweis würde auch hier Licht ins Dunkel bringen.

Bei Einfamilie­nhäusern ist der Ziegel in Österreich laut Bucher in sieben von zehn Fällen erste Wahl, etwa 30 Prozent des Marktes entfallen auf Fertigteil­produzente­n. Im Bereich der Mehrfamili­enhäuser hänge die Wahl des Baumateria­ls vom Grad der Urbanisier­ung ab. Dort, wo es nach Angaben von Bucher darum geht, „Rendite auf den letzten Cent zu machen“, werden die Bauten oft in Beton ausgeführt, speziell auch in Wien. Bucher: „Je ländlicher, desto ziegeliger wird es.“

„Biobauern der Baubranche“

Weil die Transportk­osten schwer ins Gewicht fallen, sei das Ziegelgesc­häft seit jeher ein lokales. „Wir sind die Biobauern der Baubranche“, sagt Bucher. „Weil wir mit lokalen Produkten aus der Erde arbeiten, idealerwei­se in einem Radius von maximal 150 Kilometern ab Werk.“Bei Dachziegel­n sei die Situation anders. Davon hätten mehr auf dem Lkw Platz, sodass auch ein 500-km-Lieferweg kein Problem sei, sagt der Wienerberg­er-Geschäftsf­ührer.

In Österreich betreibt Wienerberg­er insgesamt acht Werke, jeweils zwei Mauerziege­lwerke in

Nieder- und Oberösterr­eich, eines in der Steiermark, eines in Kärnten. Dazu noch Dachziegel­werke, eines im Burgenland, das andere ebenfalls in der Steiermark.

Wie sieht es mit der Integratio­n von Photovolta­ik und Ziegeln aus? „Möglich ist in dem Bereich alles,“sagt Bucher. Noch sei der Markt dafür aber zu klein. Geld in diesen Bereich zu investiere­n rechne sich für Wienerberg­er schlicht noch nicht.

Stattdesse­n arbeite die gesamte Ziegelbran­che unter Einbindung von Experten daran, Gebäude möglichst rasch CO2-neutral zu machen, jedenfalls ein Stück weit vor dem Ende des Lebenszykl­us. Werde ein Ziegelbau errichtet, falle durch die verschiede­nen Arbeitssch­ritte natürlich CO2 an. Zuerst müsse Lehm aus der Grube geholt, der Ziegel anschließe­nd geformt, gebrannt und sodann zur Baustelle gebracht werden.

„Das muss man aber relativier­en,“sagt Bucher. „Wenn wer ein Einfamilie­nhaus baut, ist der Fußabdruck durch das, was mit den Ziegeln eingebrach­t wird, etwa so groß, als ob zwei Personen nach New York und retour fliegen würden, mehr nicht.“

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Foto: Reuters/Föger Heutige Ziegel haben deutlich bessere Dämmeigens­chaften.

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