Der Standard

„Lernsieg“wieder online

Nach einer mehrwöchig­en Pause ist die umstritten­e Lehrerbewe­rtungs-App „Lernsieg“wieder da. Unveränder­t, da die Datenschut­zbehörde ihren Sanktus gegeben hat.

- Markus Sulzbacher

Selten hat eine österreich­ische Smartphone-App für derart viel Aufregung gesorgt. Nach einer Zwangspaus­e ist die Lehrerbewe­rtungs-App „Lernsieg“seit Montag wieder da und im App-Store von Apple sowie im Playstore von Google zu finden. Ohne jegliche Veränderun­g. Adaptionen waren nicht nötig, da die Datenschut­zbehörde die App prüfte und keine „einzige Änderung“forderte, wie der 18-jährige Erfinder Benjamin Hadrigan bei einer Pressekonf­erenz betonte.

Dafür präsentier­te er neue Investoren. So sind nun der Salzburger Investor Christian Dreyer und die Firma Empire Invest an Bord. Über die Höhe der Beteiligun­g wollte Hadrigan nichts sagen. Er stellte aber klar: „Wir sind keine Charity-App. Natürlich wollen wir Geld verdienen.“Ausgeschlo­ssen sei aber ein Verkauf der Handynumme­rn der Schüler. Diese würden nur abgefragt, um sicherzust­ellen, dass Schüler nur eine Schule beziehungs­weise deren Lehrer bewerten. „Wir werden niemals Nummern verkaufen oder sonst etwas damit zu Marketingz­wecken machen.“

Geld mit Werbung

Möglich sei aber etwa eine Vermittlun­g von Nachhilfel­ehrern über die Plattform oder klassische Werbung, so Hadrigan. Welche Werbeschal­tungen akzeptiert werden, soll ein Schülergre­mium mitentsche­iden. Nicht vorstellba­r sei für ihn etwa McDonald’s, unproblema­tisch aber Werbung für Schulzubeh­ör etwa von Handelsket­ten oder die Ankündigun­g eines neuen Films durch eine Kinokette.

Für die App wurde eine Datenbank mit rund 90.000 Lehrern und den entspreche­nden Schulen angelegt. Dort können Schüler ihre Pädagogen ab der AHS-Unterstufe beziehungs­weise Neuen Mittelschu­le (NMS) in Kategorien wie Unterricht, Fairness oder Pünktlichk­eit bewerten und bei weniger als fünf Sternen in vorgegeben­en Unterkateg­orien konkretisi­eren, welche Mängel es gibt. Für jede Schule gibt es dann ein Ranking der „besten“Lehrer und neben dem jeweiligen Schulprofi­l auch ein Ranking der zehn besten Schulen in Kategorien wie Lehrangebo­t oder Neue Medien. Eine Kommentarf­unktion hat die Anwendung nicht, um Diffamieru­ng auszuschli­eßen.

Grundsätzl­ich zulässig

Nach dem Start der App hatte nicht nur Hadrigan mit Hassnachri­chten gegen sich zu kämpfen. Bildungsmi­nisterium und Lehrergewe­rkschaft hatten auch infrage gestellt, ob bei „Lernsieg“die Persönlich­keitsrecht­e der beurteilte­n Lehrer gewahrt und alle Datenschut­zbestimmun­gen eingehalte­n werden. Ein von ihnen beauftragt­es Gutachten ergab schließlic­h, dass Lehrerbewe­rtungsplat­tformen im Internet grundsätzl­ich zulässig sind.

Der Autor Nikolaus Forgo, Professor für Technologi­e- und Immaterial­güterrecht der Uni Wien, äußerte allerdings „erhebliche Bedenken“bei der Verarbeitu­ng von Schülerdat­en. Die Datenschut­zbehörde hat die Plattform ebenfalls unter die Lupe genommen, das Verfahren allerdings eingestell­t. Die Verarbeitu­ng der Lehrerdate­n stehe im Einklang mit den Grundsätze­n der Datenschut­zgrundvero­rdnung, so ihr Befund.

Auf wenig Gegenliebe dürfte das „Lernsieg“-Comeback bei der

Lehrergewe­rkschaft stoßen, die seit dem Start erbitterte­n Widerstand gegen das Projekt leistet. Schon im vergangene­n Jahr hat man mehrere Musterklag­en vorbereite­t, von denen eine bereits zur Verhandlun­g zugelassen ist. „Bildung ist keine Pizzabeste­llung“, heißt es dazu. Hadrigan sieht möglichen Klagen gelassen entgegen, da die Datenschut­zbehörde ihren Sanktus gegeben habe: „Große Angst haben wir nicht.“

Abgeriegel­te Städte in der Lombardei, Hamsterkäu­fe in Supermärkt­en und ein Zug aus Italien, der am Brenner wegen Coronaviru­sVerdachts gestoppt wird: Medizinisc­he Laien können gar nicht anders, als in Panik zu verfallen. Wann wird das Virus Österreich treffen und hier alles lahmlegen? Das macht Angst und weckt Schreckens­fantasien: Wenn Regierunge­n zu so drastische­n Maßnahmen greifen, dann muss dieses Virus wirklich gefährlich sein.

Das wahre Dilemma an der aktuellen Coronaviru­s-Krise ist aber tatsächlic­h das Nichtwisse­n, und zwar auf unterschie­dlichen Ebenen. Zum einen geht es um das eigene, das persönlich­e Wissen, was Viren betrifft. Die wenigsten sind sich dessen bewusst, dass Viren sozusagen Grundausst­attung des Lebens sind. Einige können krank machen. Sars-CoV-2, so der offizielle Name des Virus, ist – so schätzen Virologen – in etwa so ansteckend wie Influenza. Wegen der Grippe werden hierzuland­e keine U Ausgangssp­erren verhängt. nd auch die Wissenscha­ft tappt derzeit im Dunkeln. Kein seriöser Experte spricht einstweile­n von einer Pandemie, aber keiner kann Entwarnung geben. Man weiß einfach nicht, wie sich Sars-CoV-2 genau entwickelt, wann jemand ansteckend ist, wie man sich davor am besten schützt und wie schlimm die individuel­len Folgen von Infektione­n sind. Erst in ein paar Monaten werden die Virologen konkrete und wissenscha­ftlich fundierte Fakten präsentier­en können – und dann vielleicht auch wirksame Gegenmaßna­hmen.

Doch dies ist nicht das einzige Dilemma. Wenn die Virologen nicht vorhersage­n können, was genau passieren wird, wie sollten es die Behörden dann wissen, die sich doch genau auf deren Expertise verlassen, um Entscheidu­ngen zur Eindämmung zu treffen? Und deshalb tun sie rund um den Globus das einzig Richtige: Sie gehen vom schlimmstm­öglichen Szenario aus. Das müssen sie auch, denn es ist schließlic­h ihre Aufgabe, die Bürger auch vor Bedrohunge­n zu schützen. Vor allem will man vermeiden, dass sich Sars-CoV-2 als neuer globaler Erreger wie die Influenza festsetzt. Würden sie die Gefahr unterschät­zen, könnten sie irgendwann zur Verantwort­ung gezogen werden. Ergo: Mehr Vorsicht ist besser als weniger. Deshalb haben Maßnahmen wie etwa eine

Quarantäne oder das Absagen von Großverans­taltungen auch Sinn. Sie verhindern, dass sich Sars-CoV-2 per Tröpfcheni­nfektion gut von Mensch zu Mensch verbreitet.

Doch, und das ist vielleicht die Crux an der Sache, all diese dramatisch­en Schritte sagen nichts über die Gefährlich­keit von Sars-CoV-2 aus. Über die Tödlichkei­t gibt es derzeit nur Mutmaßunge­n. Es könnte sehr gut sein, dass Sars-CoV-2 für den Erkrankten nicht gefährlich­er als der gewöhnlich­e Grippeerre­ger ist. Auch an Influenza sterben Menschen, trotzdem ist sie kaum jemandem eine Panik oder eine Impfung

wert. Doch genau dieses Nichtwisse­n macht den Menschen eher Angst, als dass es sie beruhigt.

Die Coronaviru­s-Krise hat insofern längst Eigendynam­ik entwickelt. Faktenwiss­en konkurrier­t mit Urängsten, und diese sind im Zweifel stärker als die Vernunft. Österreich­s Regierung hält dabei die richtige Balance: Die Minister sind besorgt, aber unaufgereg­t. Noch ist Sars-CoV-2 in Österreich nicht angekommen. Zwar muss man damit rechnen, und die Behörden scheinen gerüstet. Doch selbst wenn der erste Fall hierzuland­e auftritt, wäre Panik die falsche Reaktion.

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Selten hat eine Handy-App für derart viel Aufregung und erzürnte Lehrer gesorgt.

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