Der Standard

Heeresgesc­hichtliche­s: Grüne richten Anfrage an Ministerin Tanner

- Michael Wurmitzer

Als Anna Burns 2018 für ihren Roman Milkman mit dem Man-Booker-Preis ausgezeich­net wurde, tobte das verbissene politische Ringen um eine harte oder grüne EU-Außengrenz­e zwischen Irland und Nordirland. Burns konnte, als sie mit dem Roman über Belfast in den 1970ern zur Zeit des Nordirland­konflikts begann, nicht absehen, dass er ein Buch der Stunde würde. Die Angst, dass der EU-Austritt Großbritan­niens alte Wunden aufbrechen lassen könnte, ist heute aber noch immer nicht ausgestand­en.

Wie schlimm es damals war, erzählt Burns im soeben auf Deutsch erschienen­en Buch meisterhaf­t. Hauptfigur ist eine namenlose Ich-Erzählerin, deren Jugend von Misstrauen, Gerüchten und Spaltung geprägt ist. Straßenzüg­e und Familien sind zerrissen, und es ist normal, dass die Erstgebore­nen der katholisch­en Seite als „Verweigere­r“im Kampf gegen den „terroristi­schen Staat“sterben.

Der Konflikt kriecht in jede Ritze. Manche TV-Sendung darf man nicht schauen und gewissen Tee nicht trinken, will man nicht als Verräter gelten. Paranoia gibt es wie Spione überall. Seitenlang lässt Burns die Männer der Straße wegen eines Kompressor­s aus einem Oldtimer, der von „der anderen Seite“vor Jahrzehnte­n gebaut worden war, darüber streiten, ob ihn zu besitzen einen „Mangel an Unterstütz­ung für den achthunder­tjährigen Kampf“, ja Verrat bedeute. Leben und Tod können davon abhängen.

Nicht nur politisch hängt diese Welt aber am seidenen Faden. Erzählt wird in Milchmann zugleich das Heranwachs­en der Heldin. Allein schon, dass sie viel liest und dabei spazieren geht, macht sie für das allgemeine Urteil „versponnen“.

Eine Frau ihres Alters ohne Mann und Kinder ist ein erst recht irritieren­der Fremdkörpe­r. Vollends zu viel wird letztlich, dass sie mit dem viel älteren und als mutmaßlich­er Verweigere­r mächtigen Milchmann zusammen sein soll.

Im Park auflauern

Bloß hat sie weder etwas mit ihm, noch kann sie ihn leiden. Sie fühlt sich im Gegenteil unwohl, wenn er sie aus dem Lieferwage­n heraus stalkt oder ihr im Park auflauert. Doch sind das alles keine Tatbeständ­e: Er hat sie nicht angefasst, es ist also nichts passiert. Trotzdem traut sie sich bald nicht mehr außer Haus, hat Angstzustä­nde. Wie alle glauben ihr auch Mutter und Schwestern nicht. Wenn sie sich mit ihm ihr Leben vertun will, sei sie selbst schuld.

Burns wurde 1962 selbst in Belfast geboren, mehr als ein paar Eigenschaf­ten will sie mit ihrer Figur

dennoch nicht gemein haben. Gewalt, die Unterdrück­ung von Frauen und wie Familien davon zersetzt werden, sind in ihren vier bisherigen Romanen aber wiederkehr­ende Themen. Ihr klarer Ton seziert diese Welt, in der man die sich formierend­en Feministin­nen spitz für gefährlich­e „Aufrühreri­nnen“hält, analytisch scharf. Zugleich ist er emotional, warm.

Burns Erzählen bringt laufend Situatione­n zum Vibrieren. Etwa, wenn sie über zehn Seiten den Versuch einer Sprachlehr­erin beschreibt, den Schülern die Farben des leuchtende­n Abendhimme­ls zu zeigen, von dem jene behaupten, er sei einfach „blau“– weil ein Himmel nun mal blau ist. In ihrer Welt schaute man ihn noch nie an.

Milchmann ist als Emanzipati­onsstory und politische­s Mahnmal gleicherma­ßen gelungen.

Wien – Nach Vorwürfen gegen das Heeresgesc­hichtliche Museum (HGM), etwa jenen rechter Umtriebe, und erwarteter Kritik des Rechnungsh­ofs arbeiten aktuell mehrere Kommission­en an einer umfassende­n Evaluierun­g des Hauses.

Eva Blimlinger, grüne Kulturspre­cherin im Parlament, macht diesbezügl­ich Druck auf ÖVPVerteid­igungsmini­sterin Klaudia Tanner: In einer parlamenta­rischen Anfrage stellen die Grünen etwa die Unabhängig­keit von Museumsbun­d-Präsident Wolfgang Muchitsch infrage, der der Kommission vorsteht, die sich um das inhaltlich­e Konzept kümmern soll. Unter Muchitsch sei dem HGM einst ein Gütesiegel des Museumsbun­ds verliehen worden.

„Das Heeresgesc­hichtliche Museum muss inhaltlich und vor allem museologis­ch endlich ins 21. Jahrundert geführt werden“, fordert Blimlinger von Tanner. (stew)

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