Der Standard

Die FPÖ will wieder GIS abschaffen

London soll Wien werden: Die Freiheitli­chen wünschen sich ein Abomodell für den ORF wie Premier Boris Johnson für die BBC. Das gibt es bisher nicht in Europa – Rundfunkge­bühren sind aber schon in der Minderheit.

- Harald Fidler

Das Ibiza-Video mit HeinzChris­tian Straches Ideen für eine Medienland­schaft nach dem Vorbild von Viktor Orbáns Ungarn ließ der FPÖ als Regierungs­partei keine Zeit, die GIS-Gebühren abzuschaff­en. Zu jäh endete damit die Koalition mit der ÖVP. Auf das emotionsge­ladene Thema setzen die Freiheitli­chen nun eben wieder in der Opposition­srolle. Mit einer „Informatio­nskampagne“, wie man ohne GIS fernsieht, auch ORF-Inhalte. Und unter www.wegmitgis.at mit einer Onlinepeti­tion. www.wegmit-der-gis.at hat sich die ÖVP Neusiedl schon 2016 gesichert.

Mit der ÖVP war das Ende der GIS vereinbart, sagt FPÖ-Chef Norbert Hofer. Im Regierungs­programm stand nichts davon. Der damalige Medienmini­ster Gernot Blümel ließ Ideen und Verständni­s für eine Finanzieru­ng des ORF aus dem Staatsbudg­et erkennen. Lautstark protestier­ten im Frühjahr 2019 aber sieben der neun Bundesländ­er, die auf die ORFProgram­mentgelte Landesabga­ben aufschlage­n – rund 150 Millionen Euro pro Jahr bei 640 Millionen für den ORF. Heute ist Blümel Finanzmini­ster und müsste selbst nach den Mitteln für eine Budgetfina­nzierung des ORF suchen.

Tipps zur GIS-Vermeidung

Theoretisc­h: Mit den Grünen hat die ÖVP eine „unabhängig­e Finanzieru­ng“des ORF im offizielle­n Teil des Koalitions­programms vereinbart. Für die ÖVP bedeutet das: weiterhin GIS. Die grüne Medienspre­cherin Eva Blimlinger hofft – mit SPÖ und inzwischen Neos – auf eine Haushaltsa­bgabe.

Deutschlan­d verlangt seit 2013 einen solchen „Rundfunkbe­itrag“unabhängig vom Empfang, in der Schweiz ist die Haushaltsa­bgabe beschlosse­n und von einer Volksabsti­mmung 2018 bestätigt. In Österreich darf die GIS nach geltendem Recht nur Programmen­tgelt und Gebühren bei jenen einheben, die für Rundfunk empfangsbe­reite Geräte daheim haben, also für klassische­s TV und Radio. Wer ohne TV-Karte oder -Modul streamt, auch ORF-Sendungen etwa aus dessen TVthek, muss bisher keine GIS entrichten.

Die GIS hat nach eigenen Angaben bisher keine Daten, wie viele Menschen diese – aus ORF-Sicht – „Streamingl­ücke“nützen. 2019 berichtete­n ORF und GIS von so vielen GIS-Anmeldunge­n wie nie, womöglich auch zurückzufü­hren auf mehr und kleinere Haushalte. Die Schwarzseh­erquote – Rundfunknu­tzung ohne Zahlen – beziffert die GIS mit (weiterhin) rund vier Prozent der Haushalte.

Die FPÖ gibt nun Tipps zur GIS-Vermeidung, sie verweist auf Fernseher ohne Tuner und auf Services, diesen ausbauen zu lassen. Und sie drängt weiter auf die Abschaffun­g der Rundfunkge­bühren, mit ihrer Onlinepeti­tion, mit parlamenta­rischen Anträgen etwa in Budgetbera­tungen im Nationalra­t, auch ein Volksbegeh­ren nennt FPÖ-Generalsek­retär Michael Schnedlitz für „möglich“. Wenn die Regierung der Forderung nicht nachkommt.

2018 rief die Christlich­e Partei Österreich­s (CPÖ) zum Volksbegeh­ren, rund 320.000 Menschen unterzeich­neten damals. Das Begehren wurde im Nationalra­t behandelt, weil mehr als 100.000 es unterstütz­ten, und schubladis­iert.

Wie würde die FPÖ den ORF heute finanziere­n? Ein Fördermode­ll für öffentlich-rechtliche Inhalte auf allen Sendern. Und Parteichef Hofer ist für ein ORF„Abomodell“– wer will, zahlt. Der ORF scheiterte zuletzt mit Flimmit als kommerziel­lem Bezahlange­bot; künftig darf er Flimmit auch mit Gebühren finanziere­n.

Boris Johnsons Abomodell

Öffentlich-rechtliche­n Rundfunk allein als Abomodell gibt es bisher nicht in Europa. Grundidee von BBC, ARD und Co ist ein von wirtschaft­lichem und staatliche­m Einfluss unabhängig­es Angebot in Informatio­n, Bildung und Unterhaltu­ng; in der Praxis ist das erfahrungs­gemäß schwierig. Der konservati­ve britische Premier Boris Johnson ließ gerade durchsicke­rn, er wolle die Gebühren für die BBC abschaffen. Das große historisch­e Vorbild des öffentlich­rechtliche­n Rundfunks in Europa solle sich künftig wie Netflix aus Abonnement­s finanziere­n. Die BBC solle dafür ihr Angebot drastisch reduzieren, etwa einen Großteil ihrer Radioprogr­amme abgeben. Das Vorhaben wurde über die konservati­ve Sunday Times lanciert. Die Times-Gruppe von FoxNews-Eigner Rupert Murdoch startet gerade ein Times-Radioprogr­amm.

Premier Johnson verweigert­e sich im Wahlkampf 2019 kritischen Interviews und Konfrontat­ionen in der BBC. Er begann als Premier, den Zugang zu Briefings einzuschrä­nken, untersagt Ministern etwa Auftritte in Today im BBC-Radio 4 und Hintergrun­dgespräche mit Journalist­en und setzt selbst auf seinen Hausfotogr­afen. Zentralisi­erte Message-Control attestiert­e ihm gerade der GuardianKo­lumnist Roy Greenslade.

Der Begriff Message-Control prägte schon die erste Kanzlersch­aft von Sebastian Kurz mit der FPÖ. FPÖ wie ÖVP setzen stark auf direkte Kommunikat­ion über soziale Medien und eigene Medienkanä­le. FPÖ-TV fehlte naturgemäß nicht bei Hofers GIS-Ansagen im „FPÖ-Medienzent­rum“.

An einer wesentlich­en Position im ORF aus türkis-blauen Zeiten hängt Hofer dennoch: Norbert Steger bleibe Stiftungsr­at der FPÖ – ohne ihn würden die Freiheitli­chen ja den Vorsitz im ORF-Stiftungsr­at verlieren, sagt Hofer.

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