Politprofi, Parteirebell und Rapid-Fan
Am Wochenende durfte Paul Stich gleich doppelt feiern. Beim Verbandstag in Linz wählten ihn seine Genossinnen und Genossen am Samstag mit 88 Prozent – allerdings ohne Gegenkandidaten – zum neuen Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend (SJ). Und am Sonntag beging er seinen 22. Geburtstag.
Die Familie war allerdings nicht nur am zweiten Anlass beteiligt. Der Großvater, ein jahrzehntelang engagiertes SPÖMitglied, ist seine wichtigste politische Ansprechperson beim Heranwachsen im Wiener Flächenbezirk Floridsdorf. Dass es ihn mit dieser Prägung zu den Roten ziehen würde, war „von vornherein klar“, sagt Stich. Mit 17 Jahren, während der Flüchtlingskrise und des Wien-Wahlkampfs 2015, tritt er der SJ bei. In dieser Phase sei ihm so richtig bewusst geworden, dass er sich gegen Hetze und Ausländerhass engagieren müsse.
SJ-Chefin war damals bereits Julia Herr, die inzwischen im Nationalrat sitzt und sich deswegen von der Spitze der Organisation zurückzieht. Wie überhaupt der Vorsitz bei der stets parteikritischen Jugend gern als Sprungbrett für längere politische Karrieren dient: In den 1980er-Jahren wurden die Jungsozialisten von Josef Cap (später Klubobmann) und Alfred Gusenbauer
(später Bundeskanzler) angeführt.
Ob Stich dereinst auch ins Parlament will? Um das zu sagen, sei es noch zu früh, das werde man zu gegebenem Zeitpunkt sehen, erwidert er – klassische Politikerantworten hat er bereits im Repertoire. Kaum verwunderlich, denn schon zuletzt war Politik für Stich als Angestellten des SJ-Büros ein Fulltimejob.
In der Freizeit findet man den sportlichen Wiener bisweilen auf den Rängen des RapidStadions bei den eingefleischten Fans im Block West. Für das Lehramtsstudium in Deutsch und Geschichte bleibt wenig Zeit. Sein historisches Hauptinteresse gilt aber, wie es sich gehört, dem Roten Wien: Nach der Matura arbeitete er als Museumsführer im Karl-Marx-Hof.
Seine Vorbilder findet der neue SJChef passenderweise in der Vergangenheit, bei Otto Bauer und Johanna Dohnal. Vom aktuellen roten Führungspersonal will ihm hingegen niemand als Leitstern einfallen. Schon gar nicht Pamela Rendi-Wagner, der Stich bei ihrer Mitgliederbefragung das Misstrauen aussprechen wird. Bedeutender sei aber das Grundsätzliche: Die Partei müsse kämpferischer auftreten und sich für eine sozialistische Alternative zum Kapitalismus starkmachen.