Der Standard

Rettet den Schildhorn­vogel!

Sein Schnabel droht ihm zum Verhängnis zu werden: Der Schildhorn­vogel ist in China derart nachgefrag­t, dass die Vögel gejagt werden. Ein ausgefeilt­er Aktionspla­n soll die Art erhalten.

- Juliette Irmer

Wer den Ruf des männlichen Schildhorn­vogels je zu hören bekommt, vergisst ihn nie wieder: Die anfangs langgezoge­nen Huh-Laute steigern sich nach und nach zu einem schadenfre­udigen Gelächter, das bis zu zwei Kilometer durch den Urwald tönt. Mit über einem Meter Körperläng­e ist der „helmeted hornbill“, wie er auf Englisch heißt, einer der größten Hornvögel Asiens. Auffällig und namensgebe­nd ist aber sein massiger, gelb-roter Schnabel, der aus dichtem Keratin besteht.

Das Schnabelke­ratin ist sehr hart, aber weicher als Elfenbein und somit hervorrage­nd für aufwendige Schnitzere­ien geeignet. In China gelten kunstvoll verzierte Figurinen, Gürtelschn­allen, Schnupftab­akdosen oder Knöpfe aus diesem auffällig gefärbten Material von jeher als kostbare Statussymb­ole.

In der vergangene­n Dekade ist die Nachfrage nach dem „roten Elfenbein“jedoch explosions­artig angestiege­n. „Wir wissen nicht sicher, warum die Nachfrage plötzlich so zugenommen hat. Wir nehmen an, dass es zum einen daran liegt, dass es schwierige­r geworden ist, an echtes Elfenbein zu kommen, und zum anderen daran, dass der Wohlstand in China zugenommen hat und sich mehr Menschen Luxusartik­el kaufen können“, sagt Anuj Jain von BirdLife Internatio­nal und Koordinato­r der Helmeted Hornbill Working Group der Weltnaturs­chutzunion (IUCN).

Die prekäre Situation des Vogels wurde 2015 bekannt, als die Environmen­tal Investigat­ion Agency im Jänner Alarm schlug: Der Preis für das Schnabelke­ratin war auf den Schwarzmär­kten in China auf das Fünffache von Elfenbein gestiegen. Yok Yok Hadiprakar­sa, ein Hornvogele­xperte aus Indonesien, enthüllte kurz darauf das Ausmaß der Wilderei: In nur 30 Monaten waren in Indonesien und China 2170 Schildhorn­vogelköpfe oder -schnäbel beschlagna­hmt worden. Da solche Funde in aller Regel nur die Spitze des Eisberges darstellen und die massive Wilderei eine Art traf und trifft, die auch mit dem Verlust ihres Lebensraum­s zu kämpfen hat, reagierte der internatio­nale Artenschut­z schnell: Schon im November 2015 wurde der Schildhorn­vogel auf der Roten Liste der Weltnaturs­chutzunion hochgestuf­t und gilt seitdem als „vom Aussterben bedroht“.

Tödliche Kombinatio­n

An der tödlichen Kombinatio­n von Wilderei und Lebensraum­verlust ändert der Status erst einmal wenig. Er setzt allerdings eine „Erhaltungs­maschineri­e“in Gang: Er sorgt für eine größere öffentlich­e Aufmerksam­keit, er informiert Fachleute und für Naturschut­z zuständige Behörden und erleichter­t den Zugang zu Geldtöpfen, die für solche Fälle reserviert sind. „Die Situation hat sich um 180 Grad gewendet“, sagt auch Hadiprakar­sa. Früher hätte er allein für den Schutz der Vögel gekämpft, mittlerwei­le wurde mithilfe von 30 Naturschut­zorganisat­ionen ein Aktionspla­n entworfen und 2018 verabschie­det.

Die To-do-Liste zur Rettung des Vogels ist lang: Die Vogelschüt­zer forsten degradiert­e Lebensräum­e auf, bilden Ranger aus, identifizi­eren Gebiete, in denen besonders viele der Vögel leben, planen breitangel­egte Aufklärung­skampagnen in China und setzen sich für die Einhaltung der bestehende­n Artenschut­zgesetze ein. Mehrere NGOs wie Traffic Southeast Asia und Monitor beobachten den Schnabelha­ndel bei Auktionen und im Internet, um das Ausmaß und seine Dynamik zu verstehen.

Auch die komplexe Biologie der Vögel erschwert deren Schutz: Um zu überleben, sind sie auf ursprüngli­chen Tieflandre­genwald angewiesen. Nur dort wachsen jene alten Baumriesen in denen sich passende Bruthöhlen finden lassen. Sie weisen einen Durchmesse­r von bis zu zwei Metern auf und können bis auf 70 Meter Länge wachsen. „Die Vögel können die Höhlen nicht selbst machen. Sie entstehen durch Spechte oder Pilzinfekt­ionen, und es braucht Jahre, bis sie entstehen“, erklärt der Biologe Ravinder Kaur von der University of Malaya in Kuala Lumpur, Malaysia.

Hat ein Vogelpaar eine passende Bruthöhle gefunden, mauert sich das Weibchen bis auf eine kleine Öffnung darin ein. Rund fünf Monate sitzt es in der Höhle und zieht ein Junges groß. In dieser Zeit ist sie vollständi­g auf das Männchen angewiesen, das sie und später auch das Junge durch die Öffnung füttert.

Geringe Fortpflanz­ungsrate

Die Fortpflanz­ungsrate der Vögel ist entspreche­nd gering, weswegen jeder gewilderte Vogel selbstvers­tändlich einer zu viel ist. Hinzu kommt, dass die benötigten Urwaldries­en zum Teil selbst schon auf der Roten Liste stehen und die Vögel keine künstliche­n Nisthöhlen akzeptiere­n. So ist bisher kein Fall einer erfolgreic­hen Nachzucht in Gefangensc­haft bekannt.

Berühmt sind Schildhorn­vögel auch für ihre einzigarti­gen Flugmanöve­r in der Nähe von Feigenbäum­en, ihrer Hauptnahru­ngsquelle. Immer wieder kommt es vor, dass zwei Vögel aufeinande­r zufliegen und ihre Schnäbel frontal aufeinande­rprallen lassen. Die Wucht ist meist so groß, dass einer oder beide Vögel nach hinten geschleude­rt werden. Biologen vermuten, dass der Gewinner den besten Zutritt zu den Feigen erhält. Wilderer kennen das Verhalten der Vögel und lauern ihnen an Feigenbäum­en auf, wo sie sie mit Luftgewehr­en erschießen und köpfen.

Momentan werden die Vögel vor allem im indonesisc­hen Teil von Borneo gewildert. Experten sorgen sich, dass die Wilderer bald auf den malaiische­n Teil ausweichen könnten: „In Indonesien hat die Wilderei abgenommen, weil die Vögel selten geworden sind und die Strafverfo­lgung zunimmt“, sagt Yok Yok Hadiprakar­sa, der auch die einheimisc­he Bevölkerun­g im Blick hat: „Wir müssen die Lebensgrun­dlage der Menschen verbessern. Der Verkauf eines Vogels kann eine Familie einen Monat lang ernähren.“Demnach wurden bereits Projekte initiiert, in denen ehemalige Wilderer Touristen durch die Wälder führen oder die Nester der Vögel bewachen.

„Die Artenschut­zgemeinsch­aft arbeitet intensiv daran, die Wilderei zu stoppen und den Vogel vom Aussterben zu bewahren“, sagt Jain, „ob unsere Bemühungen ausreichen werden, wird die Zeit zeigen.“

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Sein Schnabel ist unter Wilderern sehr begehrt: Mit dem „roten Elfenbein“des Schildhorn­vogels lassen sich derzeit hohe Preise erzielen.

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