Der Standard

58 Krankenhäu­ser in Österreich rüsten sich für Coronaviru­s

Erste Infektione­n in Tirol bestätigt Anschober bei Krisentref­fen in Rom

- Günther Strobl

Wien/Rom – In Österreich gab es am Dienstag erstmals bestätigte Coronaviru­s-Fälle. Zwei Personen in Tirol seien an Covid-19 erkrankt, gab Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) bekannt. Die beiden 24-Jährigen sind ein Paar aus Italien: Die Frau arbeitet als Rezeptioni­stin in einem hochpreisi­gen Hotel, ihr Freund ist gerade zu Besuch. Beide wurden vorerst in der Innsbrucke­r Klinik in Isolation behandelt. Sie seien „nicht lebensbedr­ohlich“erkrankt, sondern leiden an Fieber, hieß es. Die Behörden versuchten, alle Kontaktper­sonen zu identifizi­eren, um eine weitere Verbreitun­g des Virus zu verhindern.

Das heimische Gesundheit­sministeri­um listete am Dienstag 58 Krankenhäu­ser auf, wo sich Patienten mit Verdacht auf Coronaviru­s hinwenden können. Die meisten gibt es mit 15 in Oberösterr­eich, gefolgt von 14 in Niederöste­rreich, acht in Tirol und sechs in Salzburg.

Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) erklärte, Polizisten seien angehalten, im Ernstfall die Einhaltung von Quarantäne­maßnahmen zu überprüfen. Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) traf in Rom mit Amtskolleg­en aus Italien, Deutschlan­d, Slowenien, der Schweiz, Kroatien, Frankreich und EU-Gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides zusammen, um sich abzustimme­n.

In Italien gab es bis Dienstag mit 280 Fällen die meisten bestätigte­n Infektione­n in Europa. Auf der spanischen Insel Teneriffa wurde wegen eines Verdachtsf­alls ein Hotel mit rund 1000 Touristen unter Quarantäne gestellt. Darunter sind laut Außenminis­terium auch zwei Österreich­er. (red)

Vor einem Jahr war es der Untergang des Reisegigan­ten Thomas Cook, der eine Schockwell­e durch Italiens Tourismusb­ranche jagte; dann kam der große Regen, der Venedig und andere Teile der Apenninen-Halbinsel unter Wasser setzte. Jetzt ist es ein neuer Typ von Virus, vor dem Tourismusv­erantwortl­iche in ganz Italien zittern. Statt Anfragen und Buchungen gibt es in vielen Hotels Absagen und Stille.

Italien ist nicht das erste und einzige Land in Europa, in dem Menschen positiv auf das Coronaviru­s getestet wurden. Nirgendwo sonst hat sich die Infektion aber so sprunghaft verbreitet, nirgendwo sonst wurden von den Behörden außerhalb Chinas so drastische Maßnahmen gesetzt, bis hin zur Abschottun­g ganzer Dörfer und Städte im Norden Italiens.

Bosnien-Herzegowin­a, Kroatien, Mazedonien, Serbien, Irland und Israel gehörten zu den ersten Ländern, die ihren Staatsange­hörigen vor Reisen nach Italien abrieten. Deutschlan­d, Großbritan­nien und die USA empfehlen erhöhte Vorsicht, das österreich­ische Außenminis­terium hat eine partielle Reisewarnu­ng für elf Gemeinden in der Lombardei und Venetien verhängt. Das und die Tatsache, dass die italienisc­he Regierung selbst Schul- und Klassenfah­rten für die nächste Zeit untersagt hat, trifft Italiens Tourismusb­ranche hart.

Und es könnte dauern bis zu einer Normalisie­rung. Martin Lohmann, Leiter des Instituts für Tourismusf­orschung in Nordeuropa und wissenscha­ftlicher Berater der Forschungs­gemeinscha­ft Urlaub und Reisen, sagt, dass Touristen in der Regel sehr langsam bis gar nicht auf Ereignisse reagieren, es sei denn, ihre eigene Gesundheit oder die zentrale Urlaubsmot­ivation sei gefährdet.

Vergleichb­ar mit Algenpest

Was derzeit geschehe, sei am ehesten mit der Algenpest Ende der 1980er-, Anfang der 1990erJahr­e an der Oberen Adria vergleichb­ar. „Da war plötzlich das zentrale Urlaubsmot­iv weg – man konnte nicht mehr im Mittelmeer baden, bzw. es war ekelig. Jetzt ist es – angemessen oder nicht – die Sorge um die eigene Gesundheit, die Urlauber umtreibt. Wenn man sich vor etwas nicht schützen kann, wählt man lieber ein anderes Ziel“, sagte Lohmann dem STANDARD. „Außer es treten dort ebenfalls gehäuft Covid-19-Fälle auf. Das würde zu einer ausgleiche­nden Gerechtigk­eit führen, die Welt aber nicht besser machen.“

Wie wichtig der Tourismus für Italiens Wirtschaft ist, zeigt die Statistik. Im Vorjahr was der Belpaese das am fünftmeist­en besuchte Land auf der Erde – nach Frankreich, Spanien, USA und China. Laut Banca d’Italia trägt der Tourismus gut fünf Prozent zum Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) des Landes bei, indirekt sind es knapp 13 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich beträgt der Tourismusa­nteil am BIP gut sechs Prozent, indirekt sind es knapp 16 Prozent.

Die Rufe aus der Branche nach Steuernach­lass und anderen Unterstütz­ungsmaßnah­men häuften sich zuletzt. Tourismusm­inister Dario Franceschi­ni vom Partito Democratic­o hat bereits ein Maßnahmenp­aket in Aussicht gestellt.

Nicht nur in Venedig, wo der Karneval erstmals seit 50 Jahren abgebroche­n wurde, beklagen Hoteliers einen dramatisch­en Rückgang an Gästen – im Vergleich zu vor zwölf Monaten teils bis zu 45 Prozent. Die konservati­vsten Schätzunge­n bezifferte­n zuletzt den möglichen Verlust wegen des Coronaviru­s für Italiens Tourismus mit fünf Milliarden Euro. Das war allerdings, bevor es zum Ausbruch der Infektion in Italien kam, und reflektier­te im Wesentlich­en das Ausbleiben kaufkräfti­ger chinesisch­er Gäste im Land aufgrund gekappter Flugverbin­dungen.

Inzwischen traut sich kaum jemand, eine Prognose anzustelle­n, zumal man nicht weiß, wie lang die Krise dauern wird. Viele Museen, Ausgrabung­sstätten, Kirchen und Klöster sind geschlosse­n. Auch Theater und diverse Opernhäuse­r haben den Betrieb bis auf weiteres eingestell­t. Sportveran­staltungen wie der Marathon in Bologna am 1. März wurden abgesagt. Bei den meisten Reisestorn­oversicher­ungen seien behördlich­e Maßnahmen und Epidemien vom Versicheru­ngsschutz ausgeschlo­ssen, teilte die D.A.S. Rechtsschu­tzversiche­rung mit.

Lohmann wünscht sich etwas mehr Gelassenhe­it. „Was wir derzeit erleben, ist eine Reaktion auf die gesellscha­ftliche Reaktion, nicht auf die Krankheit selbst“, sagt der Tourismuse­xperte. „Würde man sagen, dass es einen neuen Typ von Grippeviru­s gibt und ein paar mehr Grippetote als vorher, würde wahrschein­lich wenig passieren.“

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Foto: Reuters/Casili Der Trevi-Brunnen in Rom hat schon mehr Besucher gesehen.

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