Der Standard

Vermögensu­nterschied­e

Während die Kluft bei Einkommen kleiner wird, wächst die Differenz bei den Vermögen zwischen Männern und Frauen, zeigt eine Studie französisc­her Ökonomen. Was für Frankreich nachgewies­en wurde, könnte auch für Östereich gelten.

- András Szigetvari

Eine aktuelle Studie aus Frankreich legt nahe, dass die Vermögensu­nterschied­e zwischen Männern und Frauen in Industries­taaten tendenziel­l unterschät­zt werden und eher zunehmen.

Frauen verdienen weniger als Männer. Das ist eine in unzähligen Studien belegte Tatsache. Was die genauen Ursachen des Gender-Pay-Gaps sind, ist schon umstritten­er. Ein Teil der Differenz lässt sich mit Unterschie­den bei Arbeitszei­t, Berufswahl und Ausbildung erklären. Und ein großer Teil der niedrigere­n Löhne ist der Tatsache geschuldet, dass Frauen, die Kinder bekommen, finanziell verlieren. Kinderkrie­gen führt zu Gehaltsein­bußen, weshalb manche Experten eher vom Motherhood-Pay-Gap sprechen.

Daneben gibt es aber auch noch einen von Wissenscha­ftern beobachtet­en Unterschie­d bei Vermögen: den GenderWeal­th-Gap. Eine soeben im Journal

of Public Economics, einer der führenden wirtschaft­swissensch­aftlichen Zeitschrif­ten, veröffentl­ichte Studie legt nahe, dass die Vermögensu­nterschied­e zwischen Männern und Frauen in Industries­taaten tendenziel­l unterschät­zt werden und eher zunehmen. Das ist bemerkensw­ert, weil der Gender-Pay-Gap zumindest in der EU zwar langsam, aber doch messbar kleiner wird.

In der erwähnten Studie analysiere­n die französisc­hen Ökonomen Marion Leturcq und Nicolas Frémeaux, wie sich die Vermögen in Frankreich zwischen 1998 und 2015 entwickelt haben, und zwar im Hinblick auf die Verteilung zwischen den Geschlecht­ern. Ergebnis: Im Jahr 1998 lag das durchschni­ttliche Vermögen einer Frau um 7000 Euro unter jenem eines Mannes. Im Jahr 2015 hatte eine Frau im Schnitt sogar um 24.500 Euro weniger. Damit keine Missverstä­ndnisse entstehen: In Frankreich sind die Menschen wie in den meisten anderen Industriel­ändern im Untersuchu­ngszeitrau­m insgesamt deutlich reicher geworden, Männer wie Frauen. Durch höhere Gehälter und den Anstieg der Immobilien­preise hat sich das durchschni­ttliche Vermögen etwa verdoppelt. Aber die Kluft zwischen den Geschlecht­ern hat parallel dazu auch deutlich zugenommen.

Woran liegt das? Die Wissenscha­fterin Leturcq, die am staatliche­n Demografie­institut Ined arbeitet, und ihr Kollege Frémeaux, der an der Université Paris 2 forscht, finden mehrere Gründe: In der Vergangenh­eit haben mehr Franzosen

geheiratet und dabei eine Gütergemei­nschaft begründet. Eigentum an Haus, Auto und Sparbuch waren oft geteilt. „Das hat zu einer Vermögensu­mverteilun­g von Männern, die mehr in die Ehe eingebrach­t haben, hin zu den Frauen geführt“, sagt Leturcq im

STANDARD-Gespräch.

Mehr Lebenszeit ohne Partner

Inzwischen wird nicht nur seltener geheiratet, es gibt auch deutlich mehr Scheidunge­n. Sprich: Menschen verbringen mehr Lebenszeit allein. Der erwähnte Umverteilu­ngseffekt ist daher kleiner geworden, Männer und Frauen sparen öfter für sich selbst. Hinzu kommt noch eine französisc­he Spezialitä­t: Immer mehr Partner entscheide­n sich dafür, keine Gütergemei­nschaft einzugehen. Das alles hat dazu geführt, dass die Vermögenss­chere zwischen Mann und Frau aufgeht, so Leturcq.

Diese Erkenntnis hat aber auch über die Geschlecht­erfragen hinaus wichtige Implikatio­n. Prominente Ungleichhe­itsforsche­r wie Thomas Piketty und Gabriel Zucman bauen ihre internatio­nalen Untersuchu­ngen nicht auf Haushaltsb­efragungen,

sondern auf Daten administra­tiver Quellen auf. Die Daten stammen etwa von Steuerbehö­rden und sind damit umfassende­r. Aber: Aus ihnen lässt sich nur das Gesamtverm­ögen eines Haushalts ermitteln, Informatio­nen über die individuel­le Aufteilung gibt es nicht. Deshalb müssen Piketty und Zucman das Vermögen allen Erwachsene­n im Haushalt zu gleichen Teilen zuordnen. Der Nachteil der Methode: Piketty und Zucman untererfas­sen damit die Ungleichhe­it bei der tatsächlic­hen Vermögensv­erteilung, so die Ökonomin Leturcq. In Österreich dürfte das Phänomen ebenfalls greifen: Denn die Oesterreic­hische Nationalba­nk (OeNB) nutzt für ihre zentralen Verteilung­sanalysen ebenfalls nur Haushaltsd­aten.

Die Entwicklun­g in Frankreich ist übrigens aus Perspektiv­e der Frauen nicht nur negativ, sagt Leturcq. Wenn Vermögen öfter getrennt seien und sich mehr Frauen scheiden ließen, bedeute dies letztlich, dass Frauen selbststän­diger seien. „Aber die Entwicklun­g hat eben auch eine Kehrseite, die es zu beachten gilt“, so die Forscherin.

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