Der Standard

Hosni Mubarak 1928–2020

Dreißig Jahre lang regierte er als Präsident Ägypten mit eiserner Faust. 2011 wurde er gestürzt, aber die Hoffnungen der Revolution blieben unerfüllt. Mubarak starb nun im 92. Lebensjahr – und in Freiheit.

- NACHRUF: Gudrun Harrer

Zu seinen letzten Prozesster­minen – die deshalb auch immer wieder verschoben wurden – erschien er nicht mehr: Er sei nicht mehr verhandlun­gsfähig, gesundheit­lich zu schwach. Fast mochte man das nicht glauben, denn Hosni Mubarak, ägyptische­r Präsident von 1981 bis 2011, war schon, bevor er gestürzt wurde, für todkrank erklärt worden. Pankreaskr­ebs hieß es, später Magenkrebs, im Juni 2012 meldeten Medien weltweit bereits seinen „klinischen Tod“.

Am 25. Februar ist Hosni Mubarak nun im 92. Lebensjahr gestorben, er hat die Prognosen viele Jahre überlebt. Die letzte Zeit hatte er in Freiheit verbracht, nach dem letzten Freispruch im Prozess um die toten Demonstran­ten von 2011 war er aus dem Militärkra­nkenhaus entlassen worden.

Als Hosni Mubarak, Anfang Mai 1928 als Bauernsohn in Kafr ElMeselha in der Provinz Minufiya geboren, am 11. Februar 2011 zum Rücktritt gezwungen wurde, war bei vielen Menschen im Nahen Osten, in Nordafrika und auf der ganzen Welt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Region noch intakt. Mubarak hatte sich gewisserma­ßen selbst überlebt: nicht mehr fähig, eine Transition einzuleite­n, gehalten von einer Elite – zu der auch die eigene Familie gehörte –, die Angst vor dem Verlust von Macht und Reichtum hatte. Das „System Mubarak“hielt jedes Aufmucken unter der Fuchtel eines Polizeista­ates, wovon – weil die Dissidenz meist ein islamische­s Gesicht hatte und auch zum Terror als Mittel griff – im Westen nicht viel geredet wurde.

Wahlfarce 2010

Dieses System sollte am Ende abgesicher­t werden, indem sein Sohn Gamal in die Startposit­ion für seine Nachfolge gebracht wurde. Die Parlaments­wahlen 2010 wurden zur Farce.

Es kam anders, für Mubarak – aber auch für Ägypten nach dem sogenannte­n Arabischen Frühling. 2020 ist der Staat unter Präsident Abdelfatta­h al-Sisi repressive­r als je zuvor. Die Opposition von 2011 ist verschwund­en, die Muslimbrüd­er – denen allerdings nur wenige nachtrauer­n – sind verboten. Mubarak konnte immerhin im Bett sterben, nicht am

Strick, an dem ihn manche sehen wollten, und auch nicht bei einem der zahlreiche­n Attentatsv­ersuche, die es im Laufe der Jahre gab.

Für den Tod der meist jungen Menschen von 2011 stand er vor Gericht, wurde zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt, die später wieder aufgehoben wurde. Es folgten eine Neuauflage eines Prozesses, eine Einstellun­g, eine Wiederaufn­ahme, Vertagunge­n wegen seines Nichtersch­einens, schließlic­h der Freispruch. Für Korruption und Schädigung des Staates wurde er zu drei Jahren verurteilt. Die gesamte Zeit seiner Prozesse verbrachte er in einem Militärspi­tal.

Der junge Mubarak kam aus dem Militär, wie jene, die ihn 2011 stürzten und jetzt wieder an der Macht sind. Er studierte an der Militäraka­demie in Kairo, wurde danach Pilot und war 1973 – dem Jahr des Oktober- beziehungs­weise Jom-Kippur-Kriegs, den Ägypten laut eigenem Narrativ gewonnen hat – bereits Luftwaffen­chef und stellvertr­etender Kriegsmini­ster. Zwei Jahre später stieg er zur Nummer zwei hinter Präsident Anwar al-Sadat auf: als Vizepräsid­ent und als Vizechef der regierende­n Nationalde­mokratisch­en Partei (NDP). In diesen Funktionen folgte er Sadat nach dessen Ermordung 1981 nach. „Gewählt” wurde er erst später.

Diesem Ritual eines Plebiszits unterzog er sich danach in regelmäßig­en Abständen – erst 2005 waren zum ersten Mal aus rein kosmetisch­en Gründen Gegenkandi­daten vorgesehen. Während der Unruhen, die im Jänner 2011 ausbrachen, versprach er dann, bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten und auch nicht seinen Sohn ins Rennen schicken zu wollen. Es war zu spät.

Bollwerk gegen Islamismus

Mubarak – der Ägypten nach der arabischen Ächtung wegen des Friedenssc­hlusses mit Israel wieder in die Arabische Liga zurückführ­te – galt als Bollwerk gegen den Islamismus. Die 1990erJahr­e waren in Ägypten geprägt von Auseinande­rsetzungen mit Extremiste­n, die nach dem algerische­n Modell den Staat durch Terrorismu­s in die Knie zwingen wollten. Im letzten Jahrzehnt seiner Herrschaft verfolgte Mubarak eine Politik der wirtschaft­lichen Öffnung, die zwar eine neue, junge Schicht von Geschäftsl­euten schuf, aber im Grunde wieder nur die Reichen reicher und die Armen ärmer machte. Nach 2005 sah Ägypten Streikwell­en und Proteste in großem Ausmaß. Die Wut explodiert­e im Jänner 2011, als die Ägypter am Beispiel Tunesiens sahen, dass Diktatoren gestürzt werden können.

Die Ansprachen, die Mubarak während des Aufstands hielt, zeugten davon, dass er nicht wirklich verstand, was da los war – dass die Menschen ihn hassen konnten. Er war von seiner historisch­en Rolle, seiner Notwendigk­eit für Ägypten, fest überzeugt. Er starb wohl in der Gewissheit, dass ihm bitteres Unrecht widerfahre­n ist, dass die ägyptische Revolution nichts anderes war als der – temporäre – Sieg seiner Feinde, der Muslimbrüd­er. Deshalb unterstütz­te er Abdelfatta­h alSisi, den vom Muslimbrüd­erpräsiden­ten Mohammed Morsi eingesetzt­en Armeechef, der 2013 Morsi stürzte und 2014 selbst Präsident wurde. Und es noch lange bleiben will.

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