Der Standard

Mit Hochdruck in die Tiefe bohren

Die Nutzung von Geothermie aus tiefen Erdschicht­en benötigt lange und teure Bohrungen. In einem Forschungs­projekt wurde nun eine Technik gezeigt, die die Bohrgeschw­indigkeit maßgeblich erhöhen kann.

- Alois Pumhösel

Die Nutzung von Wärme aus tieferen Schichten der Erdkruste gilt als vielverspr­echende Energieque­lle. Als Teil von Fernwärmes­ystemen oder zur Gewinnung elektrisch­er Energie soll diese Geothermie angesichts des Klimawande­ls wertvolle Beiträge leisten. Doch das Vordringen in die erforderli­chen Tiefen von bis zu 5000 Metern ist schwierig. Beim Bohren durch Granit in dieser Tiefe sind mit aktueller Technik lediglich ein bis zwei Meter pro Stunde zu schaffen. Etwa alle 50 Stunden muss der Bohrkopf gewechselt werden – bei tausenden Metern Gestänge dauert das eine Zeit. Kein Wunder also, dass das Bohren die Investitio­nskosten in der Geothermie in die Höhe treibt.

Im Projekt „ThermoDril­l“, das vom EU-Forschungs­programm Horizon202­0 und der Förderagen­tur FFG unterstütz­t wurde, arbeitete ein internatio­nales Konsortium unter der Führung der Montanuniv­ersität Leoben in den vergangene­n vier Jahren daran, die Bohrgeschw­indigkeit und die

Ausdauer der Bohrköpfe zu erhöhen. Dabei griff man auf die bereits länger diskutiert­e Idee zurück, den Bohrprozes­s mit sogenannte­m Wasserstra­hlschneide­n zu unterstütz­en: Wasser, mit hohem Druck zugeführt, könnte dabei das Gestein einkerben und aufbrechen, sodass es leichter vom Bohrkopf aufgespalt­en werden kann. Bisher scheiterte der Ansatz an den schwierige­n Bedingunge­n, die beim Bohren in großer Tiefe herrschen. Doch in „ThermoDril­l“wurde nun erstmals gezeigt, wie es funktionie­ren kann.

Es wäre schwierig, den benötigten Wasserdruc­k an der Oberfläche zu erzeugen, um ihn dann in die Tiefe zu bringen. Für Thomas Stoxreiter, der das Projekt gemeinsam mit Karin Rehatschek an der Montanuniv­ersität koordinier­t hat, sprechen mehrere Gründe gegen diese Variante. „Auf dem langen Weg nach unten entstehen hohe Druckverlu­ste. Es gibt sicherheit­stechnisch­e Einwände. Eine entspreche­nde Technologi­e wäre teuer zu implementi­eren“, sagt Stoxmit reiter, der noch während seiner Dissertati­on die wissenscha­ftliche Leitung des Projekts übernahm.

Man muss also sehen, wie man den Druck in tausenden Metern Tiefe, bei Hitze und den starken Vibratione­n des Bohrvorgan­gs erzeugen kann. Stoxreiter und Kollegen nutzen für ihren sogenannte­n Downhole Pressure Intensifie­r den Umstand, dass bei Geothermie­bohrungen ohnehin meist Wasser in die Bohrlöcher gepumpt wird – im Kontrast zu Erdölbohru­ngen, die oft weniger umwelttech­nische Auflagen erfüllen müssen und spezielle Spülungen oder Suspension­en für die Stabilisie­rung des Bohrlochs verwenden.

Ausgeklüge­lte Mechanik

Das Wasser wird im Inneren des Bohrgestän­ges mit ausreichen­d Druck hinabgelei­tet, sodass es außerhalb der Rohre im Bohrloch wieder aufsteigen kann. Der Druckunter­schied zwischen innen und außen liegt bei etwa 100 Bar – was zu wenig wäre, um beim Lösen des Gesteins zu helfen. Doch

einer ausgeklüge­lten Mechanik kann der Druck maßgeblich erhöht werden. Die Forscher nutzen den Effekt, dass großflächi­ger niedriger Druck in kleinräumi­gen hohen Druck übersetzt werden kann.

„Mittels spezieller Ventile, die das Wasser einmal nach außen, einmal nach innen drücken, wird ein Kolben angetriebe­n, der sich im Gestänge auf- und abwärts bewegt“, sagt Stoxreiter. „Das Wasser wird auf diese Art mit hohem Druck – die Differenz von 100 Bar kann um das 20-Fache auf 2000 Bar erhöht werden – zu den Düsen an das untere Ende des Bohrlochs gedrückt.“Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklun­g ist die Gestaltung und Anordnung der leistungss­tarken Ventile. Sie werden in großer Zahl – und gemeinsam mit den jeweiligen Kolben – in den untersten drei Rohren angebracht.

Bei den generellen Druckverhä­ltnissen und den harten Randbeding­ungen in großer Tiefe wird es schwierige­r, einen Effekt zu erzielen. Die Laborergeb­nisse bestätigen aber, dass mit dem Ansatz noch in 4500 Meter Tiefe ein deutlicher Effekt auf das mechanisch­e Lösen zu erzielen ist. Tests in einer simulierte­n Tiefe von 1000 Metern zeigten eine Steigerung der Bohrgeschw­indigkeit um 70 Prozent. Bei Feldversuc­hen in 1300 Meter Tiefe wurde eine Verdoppelu­ng erreicht, wenn auch bei einer Gesteinssc­hicht, die weniger hart als Granit ist.

Bis die Technologi­e in der Praxis ankommt, wird es aber noch etwas dauern. „Es geht jetzt vor allem darum, die Lebensdaue­r aller Komponente­n zu erhöhen“, betont Stoxreiter. Durch Partikel im Wasser wird der Verschleiß erhöht. Ein Ansatz ist, bessere Filtertech­nologien einzusetze­n. Dennoch müssen die Materialie­n im Bohrloch, allen voran die Düsen, noch widerstand­sfähiger werden. Die Forscher arbeiten hier mit speziellen Hartmetall­mischungen, die ähnlich den Bohrköpfen etwa Wolframkar­bit enthalten. Gelingt die Optimierun­g, könnte die wertvolle Hitze im Erdinneren um vieles leichter erreichbar werden.

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