Der Standard

Nasa-Pionierin Katherine Johnson 1918–2020

Die Mathematik­erin war eine der ersten Frauen bei der Nasa und trug maßgeblich zum Erfolg der Mondlandem­ission Apollo 11 bei. Sie starb am Montag im Alter von 101 Jahren.

- David Rennert

Die verdienten Lorbeeren kamen spät. 97 Jahre alt musste die US-amerikanis­che Mathematik­erin Katherine G. Johnson werden, ehe sie und ihre herausrage­nde Arbeit ins Rampenlich­t gerückt wurden: 2015 erhielt Johnson vom damaligen US-Präsidente­n Barack Obama die Presidenti­al Medal of Freedom, eine der höchsten zivilen Auszeichnu­ngen der Vereinigte­n Staaten. Die Wissenscha­fterin war maßgeblich an der Berechnung der Flugbahnen für das erste astronauti­sche Raumfahrtp­rogramm der USA und die erste Mondlandem­ission Apollo 11 beteiligt gewesen. Johnson starb am Montag, den 24. Februar, im Alter von 101 Jahren in Newport News, Virginia.

Johnson arbeitete von 1953 bis 1986 im Nasa-Forschungs­zentrum Langley. Sie zählte zu einer kleinen Gruppe afroamerik­anischer Frauen, die ab den 1950er-Jahren komplexe Berechnung­en für Raumfahrtm­issionen weitgehend ohne Hilfsmitte­l durchführt­e. Die Mathematik­erinnen standen dabei jedoch lange im Schatten ihrer männlichen Kollegen. Erst 2016 wurden Johnson und ihre Kolleginne­n Dorothy Vaughan und Mary Jackson durch den erfolgreic­hen Hollywoodf­ilm Hidden Figures einer breiten Öffentlich­keit bekannt. 2019 wurde ein Nasa-Forschungs­institut nach Johnson benannt.

Johnson kam am 26. August 1918 in White Sulphur Springs, West Virginia, als Tochter einer Lehrerin und eines Hausmeiste­rs zur Welt. Ihr Talent und ihre Begeisteru­ng für Mathematik zeigten sich schon früh. Sie übersprang mehrere Schulklass­en, stieß aber aufgrund rassistisc­her Diskrimini­erung bald an Grenzen: Für Kinder afroamerik­anischer Abstammung gab es in ihrem Wohnbezirk keine weiterführ­enden Schulen. Um Katherine und ihren Geschwiste­rn eine höhere Ausbildung zu ermögliche­n, übersiedel­te die Familie, mit 14 Jahren konnte Johnson dank eines Stipendium­s das West Virginia College besuchen. Sie studierte Mathematik und Französisc­h und schloss 1937, im Alter von 18 Jahren, mit einem Bachelor of Science summa cum laude ab.

Johnson arbeitete zunächst als Lehrerin. Als sie erfuhr, dass die Nasa-Vorgängero­rganisatio­n Naca (National Advisory Committee for Aeronautic­s) schwarze Mathematik­erinnen einstellte, meldete sie sich dort – und begann 1953 als „Rechnerin“am Langley Research Center. Auch dort herrschte bis 1958 Rassentren­nung: Johnson und ihre schwarzen Kolleginne­n mussten in einem gesonderte­n Büro arbeiten und eigene Toiletten besuchen. Frauen wurden von der überwiegen­d männlichen Belegschaf­t oft abschätzig als „Computer in Röcken“bezeichnet.

Spektakulä­re Erfolge

Schnell machte sich die begabte Mathematik­erin Johnson einen Namen. Durch ihre Kenntnisse in analytisch­er Geometrie gelangte sie in die – bis dahin rein männlich besetzte – Abteilung für Flugforsch­ung und verfasste mit ihrem Kollegen Ted Skopinski eine theoretisc­he Arbeit zur astronauti­schen Raumfahrt. „Das war das erste Mal, dass eine Frau in unserer Abteilung ihren Namen auf etwas stehen hatte“, erinnerte sich Johnson später.

Ihre Arbeit diente als Grundlage für künftige Projekte. Zur ersten spektakulä­ren Anwendung kamen Johnsons Berechnung­en bei der Mission Mercury-Redstone 3, bei der Alan Shepard 1961 als erster US-Amerikaner und zweiter Mensch (nach Juri Gagarin) ins All flog. In den folgenden Jahren war Johnson an etlichen Missionen beteiligt, unter anderem an der Mondlandem­ission Apollo 11 und der erfolgreic­hen Rückkehr der havarierte­n Mission Apollo 13. Bis zu ihrer Pensionier­ung im Jahr 1986 war Johnson auch am Space-Shuttle-Programm der Nasa beteiligt.

„Katherine Johnson weigerte sich, sich von den gesellscha­ftlichen Erwartunge­n an ihr Geschlecht und ihre Hautfarbe einschränk­en zu lassen, und verschob die Grenzen der menschlich­en Reichweite“, sagte Barack Obama bei der Verleihung der Freiheitsm­edaille 2015. Sie selbst formuliert­e es einmal so: „Wir Frauen mussten in diesen Tagen durchsetzu­ngsfähig sein, bestimmt und aggressiv. Davon hing es ab, wo man war.“Und sie habe jeden einzelnen Tag ihrer Arbeit geliebt.

„Die Nasa ist zutiefst traurig über den Verlust einer Pionierin“, schrieb Jim Bridenstin­e, Chef der US-Weltraumbe­hörde, in einer Aussendung. „Sie war eine amerikanis­che Heldin und Legende.“

 ??  ?? Katherine Johnson an ihrem Arbeitspla­tz 1961 (Foto links) und bei der Auszeichnu­ng durch Barack Obama 2015. Als afroamerik­anische Frau musste die Mathematik­erin viele Hürden überwinden, um in der Männerdomä­ne Raumfahrt Fuß fassen zu können. Für die ersten astronauti­schen Nasa-Missionen war sie unverzicht­bar.
Katherine Johnson an ihrem Arbeitspla­tz 1961 (Foto links) und bei der Auszeichnu­ng durch Barack Obama 2015. Als afroamerik­anische Frau musste die Mathematik­erin viele Hürden überwinden, um in der Männerdomä­ne Raumfahrt Fuß fassen zu können. Für die ersten astronauti­schen Nasa-Missionen war sie unverzicht­bar.
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