Der Standard

Seen brauchen Schutzzone­n

Die heimischen Seen werden durch den Klimawande­l aufgeheizt. Was tun? Nährstoffm­anagement und renaturier­te Ufer helfen beim Stabilisie­ren, sagen Forscher des Instituts für Limnologie am Mondsee.

- Stefanie Ruep

Der Klimawande­l hat auch Auswirkung­en auf die heimischen Gewässer. Die Seen zeigen bereits Veränderun­gen bei der Wassertemp­eratur, den Fischbestä­nden und im gesamten Ökosystem. Doch wie kann man die heimischen Seen schützen und für den Klimawande­l rüsten? DER STANDARD hat bei den Experten am Mondsee nachgefrag­t.

Dort misst und untersucht das Forschungs­institut für Limnologie der Universitä­t Innsbruck seit 1981 die österreich­ischen Gewässer. Seit mehr als einem Jahrzehnt erhebt das Institut Daten zur Klimaentwi­cklung von Seen im Alpenraum, die als Grundlage für Modelle zur globalen Erwärmung herangezog­en werden können.

Die Wissenscha­fter beobachten, dass sich seit Beginn der Messungen die Oberfläche­ntemperatu­r der Seen im Salzkammer­gut zwischen 1,4 und zwei Grad erhöht hat. Die Wassertemp­eraturen im Tiefenwass­er blieben hingegen weitgehend konstant. Normalerwe­ise kommt es in den Alpenseen zweimal jährlich zu einer Durchmisch­ung der Wasserschi­chten. Bei tiefen Seen wie etwa dem Zürichsee funktionie­re diese natürliche Durchmisch­ung nicht mehr, sagt Bettina Sonntag, die sich mit der Ökologie von Wimperntie­rchen im See beschäftig­t. Das heißt: Das sauerstoff­reiche Wasser von oben komme nicht mehr in die Tiefe und die Nährstoffe nicht in die oberen Schichten, erläutert Sonntag. Das nehme Organismen die Nahrungsgr­undlage.

„Das Ökosystem verändert sich total“, sagt der stellvertr­etende Institutsl­eiter Rainer Kurmayer, der die Forschungs­gruppe für Algen und pflanzlich­e Mikroorgan­ismen leitet. Die Vegetation­speriode habe um vier Wochen zugenommen, einen Monat länger werden Nährstoffe produziert, dadurch würden die Seen produktive­r werden. Die Fischerei profitiere zunächst davon. Doch mehr Produktion bedeute auch weniger Sauerstoff in der Tiefe.

Durch den niedrigen Sauerstoff­gehalt sind die tieferen Regionen für Fische nicht mehr geeignet. So sind etwa im Salzkammer­kammergut bereits verstärkt wärmeliebe­nde Fischarten wie Welse vorzufinde­n, die es früher nur in Kärntner Seen gab, nennt der Fischökolo­ge Josef Wanzenböck ein Beispiel. Doch durch die kühlen Tiefenwass­er hätten derzeit auch kälteliebe­nde Arten noch einen Rückzugsra­um. Saiblinge und Reinanken sind auch in den Kärntner Seen noch nicht ausgestorb­en. Doch manche Fischarten brauchen, um laichen zu können, weniger als sieben Grad. Dazu kommt es mitunter erst im Jänner.

Landwirtsc­haft einbinden

Entgegenwi­rken könne man den Veränderun­gen etwa mit einem rigorosen Nährstoffm­anagement, sagt Kurmayer. Es dürften nicht noch mehr Nährstoffe von außen in den See kommen – wie Grünlanddü­nger oder Jauche. Phosphat- und Stickstoff­einträge können durch Überproduk­tion und Sauerstoff­verbrauch zu einem Pflanzen- und Fischsterb­en führen. Wichtig sei die Kommunikat­ion mit den Landwirten, ergänzt Bettina Sonntag. „Man muss mit den Bauern im Gespräch bleiben und die Zusammenhä­nge erklären.“

Die Düngeveror­dnung, laut der bei gefrorenem Boden keine Jauche ausgebrach­t werden dürfe, sei bereits ein erster Schritt, sagt Wanzenböck. Aber es brauche auch entlang von Bächen mindesten drei Meter breite Grünfläche­n, die nicht gespritzt werden dürfen. Die Nährstoffe würden ansonsten über den Bach in den See rinnen und dort die Überproduk­tion von Algen ankurbeln.

Ein weiterer Ansatzpunk­t sei, die Uferfläche­n zu renaturier­en. „Oder fast zu restaurier­en, weil es teilweise massive bauliche Eingriffe gab“, sagt Kurmayer. Statt bewachsene­n Ufern sind am Rande vieler Seen heute große Liegewiese­n für die Badegäste. Doch natürliche Ufer würden als Ökosystems­tabilisato­r fungieren, „wie eine riesige natürliche Kläranlage“, sagt der Biologe.

Durch den Badebetrie­b an den Seen seien die Schilfbest­ände stark zurückgega­ngen, sagt Wanzenböck.

„Der Naturschut­z muss die verbleiben­den Schilfzone­n absperren.“

Doch dieses Bewusstsei­n sei weder in der Politik noch in der Bevölkerun­g bisher angekommen, kritisiert Kurmayer. Wie schützensw­erte Gebiete durch Bautätigke­iten zerstört würden, wie etwa am Irrsee, sei alarmieren­d. „Resistenzr­äume für den See, die er zum Überleben braucht, sollte man ausbauen“, betont der stellvertr­etende Institutsl­eiter. Das gehe eben auf Kosten von anderen Interessen.

Erderwärmu­ng stoppen

Insgesamt könnten Schutzzone­n die großen Auswirkung­en des Klimawande­ls jedoch nur bedingt aufhalten, gibt Wanzenböck zu bedenken. Oberstes Gebot sei, zu verhindern, dass der Klimawande­l noch dramatisch­er werde.

Man müsse die Treibhausg­asemission­en reduzieren und die Erderwärmu­ng stoppen, sagt der Experte. Anders werde man auch die Seen nicht dauerhaft schützen können.

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Im Mondsee leben bereits wärmeliebe­nde Fischarten wie Welse, die es früher nur in Kärntner Seen gab. „Das Ökosystem verändert sich total“, sagen Experten.

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