Der Standard

GEISTESBLI­TZ

Radikalisi­erung durch Ausgrenzun­g

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Soziale Ausgrenzun­g macht Menschen anfällig für radikale Ideen. Das fand Luisa Afra Malin Mahr in ihrer Masterarbe­it am Institut für Sozialpsyc­hologie der Universitä­t Klagenfurt heraus. Man findet entspreche­nde Hinweise häufig in den Biografien radikaler Täter, sagt die Wissenscha­fterin. Doch lässt sich solch ein Zusammenha­ng auch experiment­ell belegen?

Die Arbeit der jungen Forscherin zeigt, dass dies möglich ist. Dabei wollte Luisa Mahr, als sie aus Augsburg für ihr Studium nach Österreich kam, eigentlich Psychother­apeutin werden. Doch dann entdeckte sie die Sozialpsyc­hologie für sich. Der Erfolg gibt ihr recht. Ihre Masterarbe­it wurde nun mit dem Würdigungs­preis des Wissenscha­ftsministe­riums ausgezeich­net.

Das Experiment war in mehreren Schritten aufgebaut: Einige Teilnehmer mussten in simulierte­n Gruppenges­prächen zunächst die Erfahrung des sozialen Ausschluss­es machen, während andere eingebunde­n wurden. Im zweiten Schritt des Experiment­s wurde ihnen eine Bezugsgrup­pe zugeteilt. Für eine solche Gruppe reicht eine kleine Gemeinsamk­eit wie die Vorliebe für einen Künstler.

Dabei wurde deutlich, dass zuvor ausgeschlo­ssene Probanden nun eine stärkere Einbindung in die Gruppenpro­zesse zeigten. „Das Bedürfnis nach Gruppenzug­ehörigkeit ist tief in uns verankert“, sagt Mahr. Schon zu Urzeiten sei es von Vorteil gewesen, gemeinsam auf die Jagd zu gehen.

Im letzten Schritt testete die Wissenscha­fterin nun, wie anfällig die Studientei­lnehmer für radikale Ideen waren. Ihnen wurde erklärt, dass die Gruppe, der sie sich nun zugehörig fühlten, sich für Tierschutz ausspräche. Dann wurden sie gebeten, Szenarien einzuschät­zen, in denen Tierschütz­er radikale Handlungen einsetzten und Sachbeschä­digungen oder Verletzte in Kauf nahmen. Diejenigen, die anfangs eine Ausgrenzun­g erfahren hatten, hielten radikale Taten eher für vertretbar als die Teilnehmer, die im ersten Gespräch eingebunde­n wurden.

„Die soziale Exklusion ist nur einer von vielen Faktoren für den komplizier­ten Prozess der

Radikalisi­erung“, stellt Mahr klar. Wir werden alle ständig aus Gruppen ausgeschlo­ssen, während wir gleichzeit­ig Teil von anderen Gruppen sind. Dennoch zeige das Experiment, dass Ausgrenzun­g das Bedürfnis einer Gruppenzug­ehörigkeit nur verstärke und dass diese Gruppenpro­zesse auch zur Radikalisi­erung beitragen können.

Luisa Mahr ist von Klagenfurt angetan. Für ihre Dissertati­on bleibt sie am Institut für Sozialpsyc­hologie der Universitä­t. Das neue Thema: Welchen Einfluss hat die Gruppenzug­ehörigkeit von Opfer oder Täter für die Wahrnehmun­g von Verbrechen? Eine komplexe Fragestell­ung, die sich nur durch kluge Experiment­e beantworte­n lässt.

Auch in ihrer Freizeit kann Luisa Mahr die Wissenscha­ft nicht ganz ruhen lassen. Zur Entspannun­g hört sie gern wissenscha­ftliche Podcasts. Eine unterhalts­ame Aufarbeitu­ng schwierige­r Themen findet sie wichtig. „Uns Wissenscha­ftern fällt es manchmal schwer, anderen unsere Forschung zu erklären, wenn man so tief im eigenen Thema steckt.“(frs)

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Luisa Mahr forscht an der Uni Klagenfurt über die Bedeutung von Gruppenzug­ehörigkeit.

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