Der Standard

Der Bauernbund der ÖVP lässt am Mittwoch erstmals Traktoren vor Zentralen und Filialen von Spar vorfahren.

Preisverha­ndlungen im Lebensmitt­elhandel gipfeln in Demonstrat­ionen österreich­ischer Milchbauer­n. Was hinter den Protesten steckt und warum nicht nur Supermärkt­e zur Verantwort­ung gezogen gehören.

- ANALYSE: Verena Kainrath

Österreich­s Bauernbund ist kein Freund öffentlich ausgetrage­ner Ringkämpfe mit dem Handel. Einmal im Jahr treffen sich Supermarkt­konzerne mit ihren Lieferante­n, um über die finanziell­en Konditione­n der kommenden Monate zu feilschen. Und wie in jeder Branche geht es bei dem Kräftemess­en hoch her: Konflikte in der Wertschöpf­ungskette sind traditione­ll programmie­rt.

Als politische Organisati­on der ÖVP hielten sich Bauernbünd­ler dabei zumeist dezent heraus. Der Markt, nicht die Politik, mache die Preise, hieß es aus ihren Reihen. Noch weniger Schützenhi­lfe für Landwirte gab es bei Demonstrat­ionen und Protesten. Man werde sich sicher nicht aufs Niveau der Gewerkscha­fter begeben, richtete der Bund seinen Mitglieder­n aus.

Doch auf einmal ist alles anders. Quer durchs Land lässt der Bauernbund heute, Mittwoch, Traktoren vor Zentralen und Filialen der Spar vorfahren. Allein in St. Pölten wollen bis zu 270 Landwirte anrollen und ihrem Ärger Luft machen. Dieser entzündete sich vor allem an den Dumpingpre­isen der Handelsket­ten. Ein Kilo Lungenbrat­en vom Schwein ist hier derzeit etwa um sechs statt um zehn Euro zu haben. Die gleiche Menge Katzenfutt­er kostet mehr als das Doppelte. Auch Milch wird preislich von Mineralwas­ser und Energydrin­ks um Längen geschlagen.

Fehlende Alternativ­en

Zermürbend ist das vor allem für kleine Produzente­n, die bei der Wahl ihrer Abnehmer kaum Alternativ­en haben. Sind einmal gut 85 Prozent des gesamten Lebensmitt­elhandels in der Hand dreier Konzerne, wird der Spielraum gering. Zumal diese auch im Großhandel und im benachbart­en Ausland als Kunden die Fäden ziehen.

Doch dass Landwirte unter der Preispolit­ik der Handelskon­zerne, die oft nicht ihre realen Kosten abbilden, ächzen, ist nichts Neues. Milch etwa, die aus Sicht vieler Bauernvert­reter nun das Fass zum Überlaufen bringt, war vor Jahren weit günstiger als jetzt – ohne dass sich die Politik energisch ins Geschehen einmischte. Was diese im Übrigen auch nur selten bei anderen Rohstoffen wie Getreide, Obst oder Gemüse zu tun pflegt.

Warum also nun ihr Aufruf zu Protesten? Zum einen sind Landwirte damit in guter Gesellscha­ft. Ob in Spanien oder Deutschlan­d – europaweit macht die Branche in Demos auf sich aufmerksam. Sie fürchtet, zwischen den steigenden Auflagen und zugleich sinkenden Preisen zerrieben zu werden. Allein in Österreich gaben im Vorjahr 4,5 Prozent aller Milchbetri­ebe auf, zeigen die jüngsten Statistike­n des Verbands der Molkereiwi­rtschaft. Das ist deutlich mehr als in den Jahren zuvor.

Keine Schrotschü­sse

Abseits von Europa ein Blick in regionale Gefilde: In Niederöste­rreich stehen Landwirtsc­haftskamme­rwahlen an. Der Bauernbund muss Farbe bekennen, sonst überlässt er das Feld anderen. Milch erweist hier als emotional aufgeladen­es Produkt gute Dienste.

34 Cent netto erhalten Erzeuger dafür derzeit ohne Zuschläge wie Bio. Das ist etwas weniger als in Deutschlan­d. Wobei beim Länderverg­leich auch zu berücksich­tigen ist, dass Österreich­s Betriebe kleiner sind und damit weniger kosteneffi­zient arbeiten. 20 Milchkühe zählen Bauern hierzuland­e im Schnitt ihr Eigen, in Deutschlan­d sind es 70. Dazu kommen teils strengere Auflagen rund um Gentechnik und Tierwohl, die direkte Preisvergl­eiche relativier­en.

Warum gerät Spar ins Visier des Bauernbund­s? Schrotschü­sse ins Blaue haben in der Regel weniger Wirkung als ein gezielter Angriff. Und Spar bietet den Bauern dafür gute Projektion­sflächen. Der Konzern verhandle Preise gern mit der Brechstang­e, erzählen Branchenke­nner. Bei zusätzlich­en Auflagen für Lieferante­n sei er fleißig, mehr zahlen wolle er dafür nicht. Fordert Spar-Chef Gerhard Drexel in der Öffentlich­keit dann auch noch von den Bauern mehr Dankbarkei­t für sein Wirken ein, brennen bei vielen die Sicherunge­n durch.

Wie ein Feudalherr führe sich Spar auf, beklagt der Bauernbund. Das Landwirtsc­haftsminis­terium ortet bei den Preisen Missbrauch von Marktmacht. Juristisch festzurren lässt sich dieser allerdings schwer: Lieferante­n füttern die

Wettbewerb­sbehörde nicht gerade mit stichhalti­gen Beweisen.

Spar selbst wiederum sieht sich als Opfer, als Ventil, an dem sich der Frust der Bauern über sinkende EU-Förderunge­n bis hin zum Brexit auslasse: Nicht der Handel, sondern die Politik müsse strukturel­le und systemisch­e Probleme der Landwirtsc­haft lösen.

Politik der Überschüss­e

Drexel hat damit nicht unrecht. Ob bei Fleisch und Milch: In der Landwirtsc­haft dominiert eine Politik der Überschüss­e. Auf sinkende Preise wurde vielfach mit noch größerer Produktion reagiert.

Das entlässt ihn aber nicht aus seiner Verantwort­ung, sagen die Bauern. Rund um Milch fließen etwa knapp zehn Prozent der in Österreich erzeugten Mengen an seinen Konzern. Das ist kein Kinkerlitz­chen. Schaltet Spar bei seinen Preisverha­ndlungen auf stur, bringt das nicht zuletzt alle anderen Händler unter Zugzwang.

Auch ist Österreich keine Insel. Ein offener Markt steht im internatio­nalen Wettbewerb. Milch etwa, für deren Produktion sich die Kulturland­schaft hierzuland­e anbietet, wird gut zur Hälfte exportiert. So verlockend der Zug zum Regionalen auch aus Gründen des Klimaschut­zes ist: Nicht alle können darauf aufspringe­n. Vice versa greift nämlich auch der Handel, so stark er sich zu österreich­ischer Wertschöpf­ung bekennt, gern auf Importware zurück.

Er stellt diese mittlerwei­le zwar seltener in die Auslage. In seine Eigenmarke­n finden sie aber ebenso breiten Eingang wie in Märkte für große Verbrauche­r für Gewerbe und Gastronomi­e. Spar führt mit Rewe und Hofer einen Kampf um jeden Konsumente­n. Und für viele unter ihnen zählt in erster Linie weiterhin der Preis.

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Foto: AFP Ihre Milch erhitzt die Stimmung im Lebensmitt­elhandel.

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