Der Standard

Die Nachblutun­gen der „Operation Aderlass“

Dopingrazz­ien in Seefeld jähren sich zum ersten Mal – Bisher vier rechtskräf­tige Urteile in Österreich

- Sigi Lützow

Wien – Strahlende­s Winterwett­er, Postkarten­motive und großer Sport in Aussicht – der 27. Februar 2019, ein Dienstag, schien sich bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld ganz nach dem Geschmack der Gastgeber und also auch des österreich­ischen Skiverband­es zu entwickeln. Bis sich kurz nach High Noon, etwa eineinhalb Stunden vor dem Start des klassische­n Herrenlang­laufs über 15 Kilometer, die Kunde von einem großangele­gten Polizeiein­satz, einer Razzia gegen mutmaßlich­e Doper und deren Helfer, verbreitet­e. Recht bald wurden die Einzelheit­en der sogenannte­n „Operation Aderlass“ruchbar, die einem veritablen Wintermärc­hen ein Ende setzte. Am Donnerstag jährt sie sich zum ersten Mal.

Eine Zwischenbi­lanz, die auch die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) zog, muss allerdings weiter zurückgrei­fen. Die von rund 150 Beamten durchgefüh­rten Aktionen in Seefeld und Erfurt, Deutschlan­d, die 16 Hausdurchs­uchungen und neun Festnahmen, waren Ergebnis einer beinahe schon ein Jahr währenden Zusammenar­beit der Staatsanwa­ltschaften München und Innsbruck, des Bundeskrim­inalamtes und der Nada.

In Österreich führte sie bis dato zu Sperren von einer Sportlerin, acht Sportlern und eines Betreuers, darunter lebenslang für ExLangläuf­er Johannes Dürr. 15 strafrecht­liche Anklagen zeitigten bisher vier rechtskräf­tige Urteile zu insgesamt 40 Monaten bedingter Haft wegen Sportbetru­gs, Handels mit Dopingsubs­tanzen und Beihilfe

sowie zu Zahlungen von insgesamt 56.000 Euro – größtentei­ls sogenannte­r Verfall. Gemeint ist die Beseitigun­g des Vermögensz­uwachses, der durch die Begehung einer strafbaren Handlung erlangt wurde. Am Beispiel Dürr stehen einer an Tagsätzen bemessenen Geldstrafe in Höhe von 720 Euro 52.000 Euro Verfall gegenüber. Zivilrecht­liche Schadeners­atzklagen können folgen.

Mit Sicherheit folgen noch weitere Verfahren. Schließlic­h sprachen die Ermittler recht bald von rund 50 Beschuldig­ten aus neun Ländern. Gegen den deutschen Mediziner Mark S., den mutmaßlich­en Drahtziehe­r des Blutdoping-Ringes, der durch die Operation Aderlass aufflog, wird wohl erst im Spätsommer verhandelt. Mit jedem Prozess, das zeigen die österreich­ischen Erfahrunge­n etwa aus dem vertagten Verfahren gegen den ehemaligen Langlauftr­ainer Walter Mayer, tauchen neue Namen und Zusammenhä­nge auf. Dass allerdings kaum ausgesproc­hene Sportstars in die Bredouille gerieten, erklären sich die Ermittler damit, dass Mark S. bewusst Sportler der zweiten, dritten Garnitur mit Möglichkei­ten zur illegalen Stärkung köderte.

Österreich­s Nationale Anti-Doping-Agentur betont in ihrer Bilanz die Wichtigkei­t der Zusammenar­beit und des Informatio­nsaustausc­hes mit den Ermittlung­sbehörden. Die Operation Aderlass lehrte, dass Dopingkont­rollen in zeitliche Nähe zum Wettkampf zu verlegen sind. Konzentrat­ionsphasen, die Sportlern bisher zugestande­n wurden, können schließlic­h auch als Dopingzeit­fenster genützt werden.

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