Der Standard

Sichtbar und sicher?

Still und heimlich haben die Salzburger Neos beschlosse­n, zwei Frauenhäus­er zu verscherbe­ln. Die Argumentat­ion ist grotesk und zeigt: Neoliberal­er Gewaltschu­tz ist kein Gewaltschu­tz.

- Nicole Schöndorfe­r

Die Sache wirkt sogar für die Neos dreist, schließlic­h geht es um ein Thema, gegen das auch Neoliberal­e auf den ersten Blick nicht viel haben können: den Schutz von Frauen, die vor gewalttäti­gen Partnern fliehen. Frauenhäus­er sind dabei essenziell. Sie retten Leben. In Österreich wurde seit Jahresbegi­nn beinahe jede Woche eine Frau ermordet. Umso fahrlässig­er scheint es, dass Neos-Frauenland­esrätin Andrea Klambauer den Betrieb der beiden Frauenhäus­er in Salzburg und Hallein für 2021 neu ausschreib­en lassen will. Ohne Not, ohne sich mit Involviert­en und Expertinne­n zu beraten. Der Grund: Die Frauenhäus­er würden nicht so funktionie­ren, wie sie sich das vorstellt. Man fragt sich: Was qualifizie­rt Klambauer zu diesem Urteil? Die Leiterinne­n der Häuser sprechen von einer nachhaltig­en Zerschlagu­ng von jahrzehnte­lang aufgebaute­n Strukturen und Netzwerken. Spüren würden es die Frauen.

Ausnahmslo­s alle, die im Gewaltschu­tzbereich arbeiten, forschen und aufklären, reagierten alarmiert auf das Vorhaben. Klambauer bleibt jedoch dabei und sagt, sie lasse sich „nicht unter Druck setzen“. Ein zynisches Wording, sind doch die Einzigen, die unter Druck stehen, die Frauenhäus­er. Für sie gibt es Wichtigere­s zu tun, als sich an sinnlosen Wettbewerb­en zu beteiligen. Auf Twitter verteilt Klambauer indes Seitenhieb­e gegen Kritikerin­nen.

Sinn der Ausschreib­ung ist es wohl, einen möglichst billigen neuen Träger für die Häuser zu finden. Erfahrung in der Frauenhaus­arbeit ist keine Voraussetz­ung, Sozialbere­ich reicht. Alles derselbe Kostenfres­ser für Neoliberal­e. Im Idealfall entledigt sich der Träger dann auch der kritischen autonomen Stimmen, die derzeit das Sagen haben, falls sie sich bis dahin nicht ohnehin neue Jobs gesucht haben, weil sie damit ja rechnen.

Existenzie­ller Datenschut­z

Kritisch sind die Leiterinne­n Doris Weißenberg­er und Birgit Thaler-Haag zum Beispiel beim Thema Transparen­z, die das Land immer stärker einfordert. So müssen für Budget, das über die Basisförde­rung hinausgeht, Namen oder Fallbeschr­eibungen der schutzsuch­enden Frauen weitergege­ben werden. Damit bloß kein Cent zu viel an den Gewaltschu­tz geht. In einem Bereich

wie der Frauenhaus­arbeit, in der Datenschut­z existenzie­ll ist, ist diese Kritik notwendig. Für die Regierende­n ist sie natürlich unangenehm.

Mehr Transparen­z will Klambauer auch an anderer Stelle durchsetze­n. Sie hält es für eine gute Idee, die Adressen von Frauenhäus­ern öffentlich zu machen, sie „in die

Mitte der Gesellscha­ft“zu integriere­n. „Sichtbar und sicher“lautet der Claim, der auch für das neue Haus im Pinzgau zentral sein soll, das nicht Teil der Ausschreib­ung ist. Das Konzept kommt aus den Niederland­en, wo entspreche­nde Häuser vom Träger Blijf Groep unter dem Label „Oranje Huis“geführt werden. Das primäre Argument ist dabei, dass das Problem häusliche Gewalt so nicht mehr vor der Gesellscha­ft versteckt wird. Als würden Frauenhäus­er durch geheime Adressen das Problem häusliche Gewalt verstecken? Dass die Adressen geheim sind, liegt daran, dass die Frauen, die dort hinkommen, vor Gewalttäte­rn fliehen, mit dem Ziel, nicht gefunden, verprügelt und ermordet zu werden. Es kann zudem nicht die Aufgabe von akut gewaltbetr­offenen Frauen sein, das Problem sichtbar zu machen.

Unterschie­dliche Ansätze

Klambauer sagt auch, dass die Adressen zu finden sind, wenn man sie finden will. Sicher. Wenn man will, kann man sich auch Waffen besorgen, deshalb ist es noch lange keine gute Idee, sie an der Supermarkt­kasse auszustell­en. Im Ernst, nicht alles am Konzept eines (teil)offenen Frauenhaus­es ist schlecht. Es kann aber nicht einfach über etablierte Konzepte gestülpt werden. Die Ansätze der autonomen Frauenhäus­er und der „Oranje Huis“sind völlig unterschie­dlich und nicht beliebig austauschb­ar. Das wüsste Klambauer, hätte sie sich mit Expertinne­n ausgetausc­ht.

Bei „Oranje Huis“konzentrie­rt man sich auf Fallarbeit, auf die Beziehungs­ebene innerhalb der Familien. Es gibt auch die umstritten­e Möglichkei­t der unmittelba­ren Kontaktauf­nahme mit dem gewalttäti­gen Partner. Nach dem autonomen Ansatz kann es jedoch keine Priorität sein, den Täter einzubezie­hen, solange Betroffene mangels Kapazitäte­n abgewiesen werden müssen. Außerdem wird Gewalt gegen Frauen immer als Ausdruck von gesellscha­ftlicher Benachteil­igung, Machtmissb­rauch und Rollenverh­alten verstanden, nicht als individuel­ler Streitpunk­t. Dass die Neos es schätzen, wenn strukturel­le Probleme auf individuel­le Defizite reduziert werden, geschenkt.

So verbreitet, wie sie behaupten, ist „Oranje Huis“übrigens auch in den Niederland­en nicht. Die Argumentat­ion ist absurd. Allen, die gegen Gewalt an Frauen kämpfen, muss klar sein, dass Neoliberal­e dabei keine Verbündete­n sind. Frauenhelp­line gegen Gewalt: 0800/222 555

NICOLE SCHÖNDORFE­R ist freie Journalist­in und betreibt den feministis­chen Podcast „Darf sie das?“.

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Von Gewalt betroffene Frauen brauchen Schutz. Den finden sie in Frauenhäus­ern und Anonymität. Neos-Landesräti­n Klambauer will nun ein offenes Konzept etablieren.

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