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Köpfe des Tages

Queere Kraft voraus zur Venedig-Biennale

- Michael Wurmitzer

Mit Künstlersc­hwarz braucht man den beiden nicht zu kommen. In lila Schlaghose und grasgrüner Bluse trat Ashley Hans Scheirl auf, Jakob Lena Knebl trug ein goldschimm­erndes Jäckchen, als die beiden als nächste heimische Vertreteri­nnen für die Kunstbienn­ale in Venedig 2021 vorgestell­t wurden. Bunt ist auch die Kunst der beiden: schrill, etwas frivol, sehr humorvoll und für den einen oder anderen auch etwas irritieren­d. Da hängen Brüste und Penisse als Halsketten an Figuren, oder es sitzt eine dicke, große, braune Kotwurst auf einem Stuhl und scheidet Goldklumpe­n aus. Ein Kommentar zum Kapitalism­us.

Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl sind privat und beruflich ein Paar und zwei der heißesten Aktien der heimischen Kunstszene. Man möchte fast von einer typisch österreich­ischen Avantgarde­karriere sprechen: Denn erst in den letzten Jahren feiern sie kommerziel­l und institutio­nell (Mumok, Documenta etc.) Erfolge. Das liege nicht zuletzt an einer jungen Kuratoreng­eneration, meinen beide.

Es kann aber auch daran liegen, dass sie mit ihrem Hinterfrag­en von Geschlecht­sund Gesellscha­ftskonstru­ktionen, Körperbild­ern und kunsttaugl­ichen Materialie­n einfach den Zeitgeist treffen. Der einst abwertend benutzte Begriff „queer“, der sich durch ihr Werk zieht, ist heute sexy.

Daran hat Scheirl maßgeblich Anteil. Denn 1956 in Salzburg als Angela geboren, ist sie seit den 1980ern eine Galionsfig­ur der queeren Wiener Kunstszene. Ihren Sinn für Geschlecht­erfragen schärfte sie in New York und London, ab den 1990ern machte sie mit Filmen wie dem Transgende­rstreifen Dandy Dust auch internatio­nal auf sich aufmerksam. Als Scheirl zu ihrem 40. Geburtstag anfing, sich Testostero­n zu spritzen, wurde aus der Angela der Hans. Mit dem 60er verpasste Scheirl sich schließlic­h den neuen zweiten Vornamen Ashley und trägt seither Lippenstif­t zur Krawatte.

Während Scheirls Malerei heute in Installati­on und Video hineinwäch­st, mixt Knebl Kunst mit Mode und Design: 1970 in Baden geboren, arbeitete sie lange als Altenpfleg­erin, ehe sie Mode und Bildhauere­i studierte. Den Taufnamen Martina Egger legte sie zugunsten der Vornamen der Großeltern ab.

Vor Venedig stehen noch einige auch internatio­nale Ausstellun­gen an. Scheirl ist zudem seit 2006 Professori­n für Malerei an der Wiener Akademie, Knebl unterricht­et dort am Institut für Lehramt. Die Zukunft der heimischen Kunst ist also über die Biennale hinaus sicher.

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Foto: APA Die Wiener Künstlerin­nen Jakob Lena Knebl (li.) und Ashley Hans Scheirl.

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