Der Standard

Deutsches Höchstgeri­cht kippt Sterbehilf­e-Verbot

Richter verwiesen auf das Recht auf selbstbest­immtes Leben und Sterben

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Karlsruhe – Das deutsche Verfassung­sgericht hat am Mittwoch das 2015 eingeführt­e Verbot der geschäftsm­äßigen Sterbehilf­e gekippt. Die Richter erklärten, dass im Grundgeset­z das Recht auf selbstbest­immtes Leben verankert sei – daraus ergebe sich auch das Recht auf selbstbest­immtes Sterben

und dass man dabei Angebote von Dritten in Anspruch nehmen könne. Die deutsche Regierung erklärte, man werde das Urteil prüfen und auswerten. Danach erst wäre über mögliche Maßnahmen zu entscheide­n.

In Österreich sind „Tötung auf Verlangen“und „Mitwirkung am

Selbstmord“verboten, dafür drohen Freiheitss­trafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Der Verfassung­sgerichtsh­of wird sich frühestens im Juni mit einem Antrag beschäftig­en, der eine Überprüfun­g der gesetzlich­en Regelungen fordert. (red)

Karlsruhe – „Ich habe keine Angst vor dem Sterben, aber vor den Qualen“, sagt Helmut Feldmann. Der 73-Jährige aus Marl (Nordrhein-Westfalen) wäre gerne am Mittwoch zur Urteilsver­kündung nach Karlsruhe gereist. Schließlic­h haben er, Ärzte und Pfleger die Klagen eingereich­t.

Doch Feldmann schaffte die Fahrt nicht mehr, er leidet an der Lungenerkr­ankung COPD und einem Lungenemph­ysem. Sein Vater und seine Schwester seien daran qualvoll erstickt, sagt er.

Er will selbstbest­immt sterben, eines Tages in seiner eigenen Wohnung, Natrium-Pentobarbi­tal einnehmen und einschlafe­n. Feldmann

wünscht sich, dass seine Tochter dann bei ihm ist, das Mittel soll von einem Sterbehilf­e-Verein kommen.

Mit dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts vom Mittwoch ist für Feldmann und andere Todkranke dieser Weg möglich geworden. Denn die Höchstrich­ter in Karlsruhe haben entschiede­n, dass das Verbot geschäftsm­äßiger, also wiederholt­er, Sterbehilf­e nicht mit dem Grundgeset­z vereinbar ist.

Es ging dabei um den Paragrafen 217 im deutschen Strafgeset­zbuch, der die regelmäßig­e Beihilfe zum Suizid, seit 2015 unter Strafe stellt. Die Richter aber erklärten, dass das im Grundgeset­z verankerte Persönlich­keitsrecht ein Recht auf selbstbest­immtes Leben garantiere. Und daraus ergebe sich auch das Recht auf selbstbest­immtes Sterben. „Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und diese in Anspruch zu nehmen“, erklärte Gerichtspr­äsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsver­kündung.

Er sagte über einen Menschen, der mithilfe eines Sterbehilf­e-Vereins aus dem Leben scheiden möchte: „Wir mögen seinen Entschluss bedauern, wir dürfen alles versuchen, ihn umzustimme­n, wir müssen seine freie Entscheidu­ng aber in letzter Konsequenz akzeptiere­n.“

In Österreich sind „Tötung auf Verlangen“und „Mitwirkung beim Selbstmord“(Paragrafen 77 und 78 Strafgeset­zbuch) verboten, es drohen Freiheitss­trafen von bis zu fünf Jahren.

Im Mai 2019 haben vier Personen beim Verfassung­sgerichtsh­of in Wien einen Antrag auf Überprüfun­g der gesetzlich­en Regelungen eingereich­t. Das Gericht wird sich damit frühestens im Juni befassen. (bau)

Hilfe in Krisen und bei Suizidgeda­nken gibt es rund um die Uhr bei der Telefonsee­lsorge 142.

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