Der Standard

Premier gesucht

Nach dem Sturz der Regierung des konservati­ven Ludovic Orban stürzte Rumänien in eine Verfassung­skrise. Nun muss Präsident Klaus Iohannis einen Kompromiss­kandidaten finden.

- Adelheid Wölfl

Rumänien befindet sich in einer Verfassung­skrise. Präsident Klaus Iohannis muss einen Regierungs­chef ernennen – und sucht.

Die Suche nach einem neuen rumänische­n Regierungs­chef geht in die nächste Runde. Präsident Klaus Iohannis traf am Mittwoch mit den Parlaments­parteien zusammen, um auszuloten, wer ernannt werden könnte. Der designiert­e Premier Ludovic Orban von der konservati­ven PNL hat sich vom Nominierun­gsprozess zurückgezo­gen, nachdem das Verfassung­sgericht am Montag entschiede­n hatte, dass niemand als Premier nominiert werden kann, der – so wie Orban (nicht zu verwechsel­n mit dem ungarische­n Premier) – eben erst durch das Parlament des Amtes enthoben worden ist.

Das Verfassung­sgericht hatte zudem geurteilt, dass es einen Konflikt zwischen dem Präsident und dem Parlament gäbe, weil Iohannis Orban zum zweiten Mal als Premier nominiert hatte. Er und sein Kabinett waren am 5. Februar durch ein Misstrauen­svotum gestürzt worden. Der Verfassung­sgerichtsh­of war am Montag mit seiner Entscheidu­ng der rechtliche­n Argumentat­ion der Sozialdemo­kraten gefolgt, mit deren Stimmen das Kabinett fiel.

Am Mittwochna­chmittag erschien es am wahrschein­lichsten, dass nun der 53-jährige General Nicolae Ciucă, der im Kabinett von Orban Verteidigu­ngsministe­r war, nominiert werden könnte. Ciucă ist für seine Russland-kritischen

Positionen bekannt. Er warnte erst kürzlich vor einer besorgnise­rregenden Entwicklun­g, wonach Russland über die Krim eine Hegemonie im Schwarzen Meer aufgebaut habe. Die Nato müsse deshalb in der Region stark sein. Die PNL unterstütz­t die Nominierun­g von Ciucă. Die Sozialdemo­kraten warnten hingegen davor, dass sich hinter dem parteipoli­tisch unabhängig­en General die PNL „verstecken“könne.

Reines Expertenka­binett

Die Sozialdemo­kraten verlangen, dass bis zu den Wahlen ein reines Expertenka­binett regieren soll. Es ist nun an Iohannis, einen Kompromiss zu erarbeiten. Auch Außenminis­ter Bogdan Aurescu wäre ein unabhängig­er Kandidat. Iohannis’ Plan, möglichst schnell – nämlich schon im Juni – gleichRegi­erungschef­s zeitig mit den Lokalwahle­n, vorgezogen­e Parlaments­wahlen abhalten zu lassen, wurde jedenfalls durch das Verfassung­sgericht durchkreuz­t.

Die Parlaments­wahlen sollten eigentlich erst im Dezember stattfinde­n. Doch Präsident Klaus Iohannis und die konservati­ve PNL wollten erreichen, dass das Parlament aufgelöst wird, indem innerhalb von 60 Tagen zwei Mal vorgeschla­gen werden, die keine Chance haben, eine Mehrheit im Parlament zu bekommen.

Auch die rumänische Ombudsfrau Renate Weber stellte klar, dass es die Aufgabe des Parlaments und nicht der Regierung sei, Neuwahlen zu organisier­en. Iohannis machte hingegen die Sozialdemo­kraten (PSD) für die Verfassung­smisere verantwort­lich, weil diese am Montag das Parlament boykottier­t hatten, als eigentlich über das Kabinett Orban II abgestimmt werden sollte.

Der Hintergrun­d: Seit Jahren spielt sich in Rumänien ein Machtkampf zwischen dem Staatschef und den Sozialdemo­kraten (PSD) ab, die bis vergangene­m November regierten. Iohannis betonte auch nun wieder, dass er keinen Sozialdemo­kraten zum Premier ernennen werde.

Unabhängig­e Justiz

Klaus Iohannis hat mittlerwei­le immerhin mit Erfolg drei wichtige Posten in der Justiz neu besetzen können. Generalsta­atsanwalt wurde Gabriela Scutea, Chef der äußerst wichtigen Korruption­sstaatsanw­altschaft wurde Crin Bologa – und als oberste Staatsanwä­ltin, die gegen die organisier­te Kriminalit­ät vorgeht, wurde Giogiana Scutea ernannt.

Der Kampf gegen politische­n Einfluss auf die Justiz und gegen Korruption und Freunderlw­irtschaft beschäftig­t die Innenpolit­ik des osteuropäi­schen Landes seit vielen Jahren.

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Kurzzeitpr­emier Ludovic Orban darf nicht wieder nominiert werden.

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