Kontroverse um Schulsperre nach Corona-Verdacht
Wiener Stadtrat Hacker: „Übertrieben“Kritik auch an Vorgehen in Kärnten
Wien
– Der Auftrag des Unterrichtsministeriums, eine Wiener Schule abzuriegeln, an der eine Lehrerin unter dem Verdacht stand, sich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert zu haben, sorgt für Aufregung. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) kritisiert die Aktion als „übertrieben“. Mit den städtischen Stellen sei erst kommuniziert worden, nachdem die Polizei bereits eine Straßensperre rund um das BGRG Albertgasse in Wien-Josefstadt errichtet habe.
Die Kinder waren mehrere Stunden in der Schule kaserniert, bis die Entwarnung kam – die Pädagogin hatte sich bei einem Italien-Aufenthalt nicht angesteckt.
Auch der Bürgermeister von Bad Kleinkirchheim kritisiert die Kommunikationspolitik. Nach dem Tod einer italienischen Urlauberin wurden zwölf Personen in einem Apartmenthaus unter Quarantäne gestellt, da ein Arzt eine Covid-19-Infektion der Verstorbenen „nicht ausschließen“konnte. Auch in diesem Fall war die Sorge unbegründet. Der Ortschef zürnt nun dem Landespressedienst, der den Fall veröffentlicht hat, da es sich nicht einmal um einen konkreten Verdachtsfall gehandelt habe. Es habe deshalb bereits Urlaubstornos gegeben. (red)
Beunruhigte Schüler, ratlose Anrainer, fotografierende Schaulustige, Uniformierte vor einem Absperrband: Die Szenerie Mittwochvormittag an der Kreuzung Albertgasse / Josefstädter Straße in Wien-Josefstadt erinnert an einen Katastrophenfilm. Der Grund der Aufregung: Eine Lehrerin des BGRG Albertgasse hatte nach einem Italienaufenthalt Symptome entwickelt, die den Verdacht auf eine Covid-19-Erkrankung aufkommen ließen. Am Nachmittag dann die Entwarnung: Der Test der Pädagogin war negativ, was positiv ist.
Der Polizeieinsatz – die Albertgasse wurde von der Exekutive abgesperrt, die Kinder rund vier Stunden in der Schule kaserniert – sorgt für politischen Wirbel. Laut Polizeisprecherin Irina Steirer sei die Aktion im Auftrag der Gesundheitsbehörde erfolgt. Laut Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sei die Anweisung hingegen aus dem Unterrichtsministerium gekommen – ohne die städtischen Behörden zu informieren. Es sei „ein bissl übertrieben“, wenn auf Verdacht eine ganze Schule gesperrt werde. Solche Entscheidungen dürften nur auf Basis von Testergebnissen fallen, sagte Hacker.
„Da hat offensichtlich der Generalsekretär im Unterrichtsministerium die eigene Botschaft ,Keine Panik‘ übersehen“, meinte der Politiker. Es könne nicht sein, dass „panikhaft“Polizisten losgeschickt werden. Es gebe in Wien 700 Schulen und derzeit allein 13.000 Menschen mit gemeldeter Grippe, erklärte Hacker. Er wolle gar nicht hochrechnen, wie viele davon wahrscheinlich Lehrer oder Eltern sind. „Daher müssen die Maßnahmen, die wir in solchen Situationen setzen, immer mit Maß und Ziel erfolgen.“Pikanterweise war die betroffene Lehrerin am Mittwoch gar nicht in der Schule, sondern war vorsorglich daheimgeblieben.
Mangelnde Information
Auch der ÖVP-Bezirkspolitiker Karl Fiala rügte die mangelnde Information der Betroffenen. Vor Ort bei der Albertgasse konnte das ein Vater bestätigen: Seine 14-jährige Tochter, Schülerin des Gymnasiums, habe ihn weinend angerufen, dass niemand die Klasse verlassen dürfe, nähere Auskünfte seien aber nicht erteilt worden.
Aus dem Unterrichtsressort war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu bekommen.
Unmut herrscht auch in Kärnten, nachdem der Tod einer italienischen Touristin als Coronavirus-Verdachtsfall kommuniziert worden ist. Der Bad Kleinkirchheimer Bürgermeister Matthias Krenn ist einigermaßen aufgebracht. „Schuld ist der Landespressedienst, diese Meldung hätte nie hinausgehen dürfen, zumal ja nicht einmal ein Verdacht bestanden hat“, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Es sei vereinbart, dass nur tatsächliche Verdachtsfälle veröffentlicht werden. Jener Notarzt, der den Tod der Italienerin im Apartmenthaus festgestellt hatte, habe „lediglich gesagt, dass das Coronavirus nicht auszuschließen ist, aber kein konkreter Verdacht besteht“.
In Innsbruck wurden in der Nacht auf Mittwoch die Angestellten und Gäste jenes Hotels auf eine mögliche Infektion mit dem Sars-CoV-2 getestet, in dem die 24-jährige Italienerin arbeitet, bei der das Virus nachgewiesen wurde. Sie und ihr ebenfalls infizierter Freund befinden sich weiter in der Innsbrucker Klinik. Es geht ihnen gesundheitlich gut, und sie können womöglich schon Ende der Woche das Spital verlassen. Die Sperre des Hotels wurde am Mittwoch wieder ausgehoben, Die Behörden haben mittlerweile bekanntgegeben, dass das Pärchen am Samstag erst mit der Hungerburgbahn und dann mit der Gondel auf die Nordkette bei Innsbruck gefahren ist. Später haben sie auch eine Party bei der dortigen Iglubar auf der Seegrube besucht. Personen, die am späten Samstagnachmittag ebenfalls dort aufhältig waren, können sich nun via Telefon-Hotline unter 0800 808030 melden.
International breitet sich der Erreger weiter aus. Die Weltgesundheitsorganisation gab am Mittwoch bekannt, dass erstmals mehr neue Fälle außerhalb Chinas gemeldet wurden als in der Volksrepublik selbst. Das am stärksten betroffene Land außerhalb Chinas ist Südkore. In Europa liegt Italien mit bisher 324 nachgewiesenen Infizierten und zwölf Toten an der Spitze.
Richtiges Reisestorno Seite 13
Kommentar Seite 32