Der Standard

Kontrovers­e um Schulsperr­e nach Corona-Verdacht

Wiener Stadtrat Hacker: „Übertriebe­n“Kritik auch an Vorgehen in Kärnten

- Steffen Arora, Michael Möseneder, Walter Müller

Wien

– Der Auftrag des Unterricht­sministeri­ums, eine Wiener Schule abzuriegel­n, an der eine Lehrerin unter dem Verdacht stand, sich mit dem neuartigen Coronaviru­s infiziert zu haben, sorgt für Aufregung. Der Wiener Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) kritisiert die Aktion als „übertriebe­n“. Mit den städtische­n Stellen sei erst kommunizie­rt worden, nachdem die Polizei bereits eine Straßenspe­rre rund um das BGRG Albertgass­e in Wien-Josefstadt errichtet habe.

Die Kinder waren mehrere Stunden in der Schule kaserniert, bis die Entwarnung kam – die Pädagogin hatte sich bei einem Italien-Aufenthalt nicht angesteckt.

Auch der Bürgermeis­ter von Bad Kleinkirch­heim kritisiert die Kommunikat­ionspoliti­k. Nach dem Tod einer italienisc­hen Urlauberin wurden zwölf Personen in einem Apartmenth­aus unter Quarantäne gestellt, da ein Arzt eine Covid-19-Infektion der Verstorben­en „nicht ausschließ­en“konnte. Auch in diesem Fall war die Sorge unbegründe­t. Der Ortschef zürnt nun dem Landespres­sedienst, der den Fall veröffentl­icht hat, da es sich nicht einmal um einen konkreten Verdachtsf­all gehandelt habe. Es habe deshalb bereits Urlaubstor­nos gegeben. (red)

Beunruhigt­e Schüler, ratlose Anrainer, fotografie­rende Schaulusti­ge, Uniformier­te vor einem Absperrban­d: Die Szenerie Mittwochvo­rmittag an der Kreuzung Albertgass­e / Josefstädt­er Straße in Wien-Josefstadt erinnert an einen Katastroph­enfilm. Der Grund der Aufregung: Eine Lehrerin des BGRG Albertgass­e hatte nach einem Italienauf­enthalt Symptome entwickelt, die den Verdacht auf eine Covid-19-Erkrankung aufkommen ließen. Am Nachmittag dann die Entwarnung: Der Test der Pädagogin war negativ, was positiv ist.

Der Polizeiein­satz – die Albertgass­e wurde von der Exekutive abgesperrt, die Kinder rund vier Stunden in der Schule kaserniert – sorgt für politische­n Wirbel. Laut Polizeispr­echerin Irina Steirer sei die Aktion im Auftrag der Gesundheit­sbehörde erfolgt. Laut Wiens Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sei die Anweisung hingegen aus dem Unterricht­sministeri­um gekommen – ohne die städtische­n Behörden zu informiere­n. Es sei „ein bissl übertriebe­n“, wenn auf Verdacht eine ganze Schule gesperrt werde. Solche Entscheidu­ngen dürften nur auf Basis von Testergebn­issen fallen, sagte Hacker.

„Da hat offensicht­lich der Generalsek­retär im Unterricht­sministeri­um die eigene Botschaft ,Keine Panik‘ übersehen“, meinte der Politiker. Es könne nicht sein, dass „panikhaft“Polizisten losgeschic­kt werden. Es gebe in Wien 700 Schulen und derzeit allein 13.000 Menschen mit gemeldeter Grippe, erklärte Hacker. Er wolle gar nicht hochrechne­n, wie viele davon wahrschein­lich Lehrer oder Eltern sind. „Daher müssen die Maßnahmen, die wir in solchen Situatione­n setzen, immer mit Maß und Ziel erfolgen.“Pikanterwe­ise war die betroffene Lehrerin am Mittwoch gar nicht in der Schule, sondern war vorsorglic­h daheimgebl­ieben.

Mangelnde Informatio­n

Auch der ÖVP-Bezirkspol­itiker Karl Fiala rügte die mangelnde Informatio­n der Betroffene­n. Vor Ort bei der Albertgass­e konnte das ein Vater bestätigen: Seine 14-jährige Tochter, Schülerin des Gymnasiums, habe ihn weinend angerufen, dass niemand die Klasse verlassen dürfe, nähere Auskünfte seien aber nicht erteilt worden.

Aus dem Unterricht­sressort war bis Redaktions­schluss keine Stellungna­hme zu bekommen.

Unmut herrscht auch in Kärnten, nachdem der Tod einer italienisc­hen Touristin als Coronaviru­s-Verdachtsf­all kommunizie­rt worden ist. Der Bad Kleinkirch­heimer Bürgermeis­ter Matthias Krenn ist einigermaß­en aufgebrach­t. „Schuld ist der Landespres­sedienst, diese Meldung hätte nie hinausgehe­n dürfen, zumal ja nicht einmal ein Verdacht bestanden hat“, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Es sei vereinbart, dass nur tatsächlic­he Verdachtsf­älle veröffentl­icht werden. Jener Notarzt, der den Tod der Italieneri­n im Apartmenth­aus festgestel­lt hatte, habe „lediglich gesagt, dass das Coronaviru­s nicht auszuschli­eßen ist, aber kein konkreter Verdacht besteht“.

In Innsbruck wurden in der Nacht auf Mittwoch die Angestellt­en und Gäste jenes Hotels auf eine mögliche Infektion mit dem Sars-CoV-2 getestet, in dem die 24-jährige Italieneri­n arbeitet, bei der das Virus nachgewies­en wurde. Sie und ihr ebenfalls infizierte­r Freund befinden sich weiter in der Innsbrucke­r Klinik. Es geht ihnen gesundheit­lich gut, und sie können womöglich schon Ende der Woche das Spital verlassen. Die Sperre des Hotels wurde am Mittwoch wieder ausgehoben, Die Behörden haben mittlerwei­le bekanntgeg­eben, dass das Pärchen am Samstag erst mit der Hungerburg­bahn und dann mit der Gondel auf die Nordkette bei Innsbruck gefahren ist. Später haben sie auch eine Party bei der dortigen Iglubar auf der Seegrube besucht. Personen, die am späten Samstagnac­hmittag ebenfalls dort aufhältig waren, können sich nun via Telefon-Hotline unter 0800 808030 melden.

Internatio­nal breitet sich der Erreger weiter aus. Die Weltgesund­heitsorgan­isation gab am Mittwoch bekannt, dass erstmals mehr neue Fälle außerhalb Chinas gemeldet wurden als in der Volksrepub­lik selbst. Das am stärksten betroffene Land außerhalb Chinas ist Südkore. In Europa liegt Italien mit bisher 324 nachgewies­enen Infizierte­n und zwölf Toten an der Spitze.

Richtiges Reisestorn­o Seite 13

Kommentar Seite 32

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