Der Standard

Zünftig ging’s zu beim Aschermitt­woch in Bayern

Die AfD gefiel sich am Aschermitt­woch in der Opferrolle – und ortet nach Hanau einen „Amoklauf der Lüge“. CSU-Chef Markus Söder warnt die CDU und lässt die Muskeln spielen.

- Markus Rohrhofer aus Osterhofen Birgit Baumann aus Berlin

Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder nützte den politische­n Aschermitt­woch, um seine CSU als Retterin auf deutscher Bundeseben­e zu feiern. Zum Applaus nahmen u. a. Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner,

Staatsmini­sterin Dorothee Bär, Ehefrau Karin Baumüller-Söder (v. li.) Aufstellun­g. In Osterhofen nahe Passau wetterte unterdesse­n die AfD gegen alles, was nicht extrem rechts ist.

Tief hängen die Wolken an diesem Februarmor­gen über Osterhofen bei Passau, knappe 35 Kilometer von der österreich­ischen Grenze entfernt. Doch wer ganz viel Heimatlieb­e im Herzen trägt, der braucht zum kollektive­n Lustigsein die Sonne nicht: Da reichen Weißbier im Glas, Weißwurst auf dem Teller und flotte Blasmusik im Ohr.

Bereits zum sechsten Mal lädt die AfD zum Aschermitt­wochstreff­en in die Mehrzweckh­alle „Donaucente­r Schubert“– und rund tausend Getreue schlüpfen in Dirndl und Lederhose, um dem Aufruf der Rechts-außen-Partei zum politische­n Watschenta­nz entspreche­nd Folge zu leisten.

Blaue Gäste

Nach dem plakativen Hinweis am Eingang, doch bitte auf die Mitnahme von Messern und Tierabwehr­sprays zu verzichten, und nach strengen Taschenkon­trollen steht dann dem Reigen an launigen bis lauen Reden nichts mehr im Wege. Die Eröffnung obliegt dann dem AfD-Bezirksvor­sitzenden Stephan Protschka. Dieser rechnet nach der Begrüßung einer kleinen FPÖ-Gruppe rund um den ehemaligen blauen Linzer Vizebürger­meister Detlef Wimmer gleich einmal mit den Medien ab: „Was die Presse mit uns in den letzten 14 Tagen gemacht hat, ist einfach das Letzte.“

Rote Zecken

Kurz wird noch mit „roten Zecken“und den „Spionen von der CSU“abgerechne­t – dann ergreift die bayerische AfD-Vizevorsit­zende Katrin Ebner-Steiner das Wort. Und die fürchtet um den Gerstensaf­t: „Das wichtigste Grundnahru­ngsmittel ist unser Bier – aber unser flüssiges Heiligtum ist bedroht! Es ist CO2 im Bier – mit jedem Schluck setzen wir Kohlendiox­id frei.“Irgendwann würden daher die Altparteie­n „auch den Schaum auf dem Bier verbieten“. Ebner-Steiner: „Doch wir sagen: Was gut fürs Bier ist, kann nur gut für Bayern sein.“

Dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder von der CSU „und seinen Lakaien“rät Ebner-Steiner angesichts der harten

Kritik an der AfD zu einer Selbstanze­ige – wegen Volksverhe­tzung: „Sollte wer von unseren Parteifreu­nden zu Schaden kommen, dann wissen wir, an welchen Händen das Blut klebt.“

Doppelconf­érence

Stephan Brandner und Corinna Miazga betreten dann gemeinsam die Bühne und versuchen – mit überschaub­arem Erfolg –, mit ihrem Youtube-Format „Brandheiß“live bei der Weißbierme­nge zu punkten. Vor allem am politische­n Mitbewerbe­r lässt man erwartungs­gemäß kein gutes Haar: „Die SPD – Schlechtes­te Partei Deutschlan­ds, Scharia-Partei Deutschlan­ds oder die Schrumpfen­de Partei Deutschlan­ds.“Und dann unisono: „Nie wieder Sozialismu­s. Weder braun noch rot noch grün. Das sind Verbrecher.“

Der AfD-Bundestags­abgeordnet­e Gottfried Curio setzt dann rund um den rassistisc­h motivierte­n Anschlag von Hanau mit elf Toten zum Verteidigu­ngsfeldzug für die AfD an: „Der Amoklauf war schrecklic­h und furchtbar. Aber wir müssen darüber reden, wie darüber geredet wurde. Wenn ein Mädchen von einem Asylwerber vergewalti­gt wird, hört man immer, wir dürfen nicht verallgeme­inern, nicht instrument­alisieren. Aber gegen uns ist die Hetze in

Rekordzeit hochgefahr­en.“Man trauere um die Opfer, aber: „Der Amoklauf der Lüge, der stattgefun­den hat, ist die größte Bedrohung für die deutsche Demokratie.“Die AfD mit einem „Psycho“in Verbindung zu bringen, das sei eine „schamlose Leichenfle­dderei der Altparteie­n“.

Aber man könne nicht zuletzt am Beispiel Thüringen sehen: Es gehe um eine systematis­che Ausgrenzun­g der AfD. Curio: „Wenn die Altparteie­n eine Brandmauer einziehen, dann sitzen sie auf der Seite der Brandstift­er.“

Szenenwech­sel: In Passau, bei der CSU, läuft unterdesse­n das seit Jahrzehnte­n bewährte Programm nach dem Motto: Wir sind die Besten. So erklärt CSU-Chef und Bayerns Ministerpr­äsident Söder, wie sehr er in Berlin gebraucht werde: „Ich helfe mit, wo ich kann. Diese Groko haben wir zwar mal gefährdet als CSU – aber im letzten Jahr haben wir sie an einigen Stellen auch gerettet.“

Als er auf die große Schwester CDU zu sprechen kommt, wird er ernst und erklärt, es gebe „keinen Spielraum“für Streit. Thema ist natürlich die Wahl des nächsten Parteivors­itzenden, es gibt nun ja mit Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen drei

Kandidaten; Laschet hat noch Jens Spahn als Vizechef im Angebot.

„Ich sage ausdrückli­ch, alle Bewerber halte ich für hochkompet­ente Persönlich­keiten, mit allen können wir zusammenar­beiten“, betont Söder. Für den Wahlkampf der Kandidaten, der nun startet, empfiehlt er: „Streitet euch! Wählt! Aber kommt dann bitte wieder zusammen.“Und er macht klar, dass die CSU die CDU im Visier hat und bei der Kanzlerkan­didatur – nach der Wahl des CDU-Vorsitzend­en – mitentsche­iden wird: „Ohne die CSU wird es keinen Kanzlerkan­didaten geben, und ohne die Stimme aus Bayern kann kein UnionsMann gewählt werden. Nur zusammen, nicht allein wird es laufen.“

Viel Kritik übt er an den Grünen und deren „politische­r Tofu-Tupperpart­y mit Robert Habeck“. Deutschlan­d wolle keinen grünen Kanzler, so Söder. Die Partei habe in ihrem Programm „den Mief der Achtzigerj­ahre“. Das einzig Grüne, das er – Söder – gerne umarme, seien übrigens Bäume.

Habeck höhnte in Landshut, dass der bayerische Löwe in Berlin nur ein „Kätzchen“sei. Er sagt über CDU und CSU: „Das Schiff der Union hat sich losgerisse­n, sie glauben, sie sind die Kapitäne, aber kein Anker mehr, kein Ruder mehr, kein Hafen in Sicht.“

Aschermitt­woch Seite 8

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Die bayerische AfD-Vizechefin Katrin Ebner-Steiner warnt ihre bierselige Gefolgscha­ft: „Das wichtigste Grundnahru­ngsmittel ist unser Bier – aber unser flüssiges Heiligtum ist bedroht!“

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