Der Standard

Ex-Minister Jabloner kritisiert Türkis-Blau

Regierung Kurz I habe zu wenig Politik gemacht, zu viel „Leuten aufs Maul“geschaut

- Maria Sterkl

Deutliche Kritik an der Regierung Kurz I übt Ex-Justizmini­ster Clemens Jabloner. Bei einem Auftritt im BrunoKreis­ky-Forum Dienstagab­end sagte er, die Dominanz der Parteipoli­tik in den Ministerie­n habe unter Türkis-Blau „einen Tiefpunkt erreicht“.

Stellenbes­etzungen seien zunehmend „von oben nach unten“, also von den Ministerka­binetten aus, erfolgt. Das sei für Beamte frustriere­nd. Zudem habe man zu wenig auf Qualifikat­ionen geachtet, immer wieder kam es vor, „dass man irgendwelc­he Leute, oft sogar Studienabb­recher“, in verantwort­ungsvolle Positionen hievt. Der frühere Verwaltung­sgerichtsh­ofspräside­nt

kritisiert: „Das sind Leute, die den Staat nicht kennen.“Damit verbunden sei, dass Politiker nur noch „den Leuten nach dem Maul reden“.

Missstände in Haftanstal­ten

Das Kaputtspar­en der Justiz, vor dem Jabloner bereits in seiner Amtszeit gewarnt hatte, habe nicht nur an den Gerichten und Staatsanwa­ltschaften, sondern auch in den Gefängniss­en drastische Folgen. „Das Erste, was man als Minister in der Früh erfährt, ist: Wer hat in der Zelle die Matratze angezündet, hat Rasierklin­gen geschluckt, Zellengeno­ssen gewürgt“– das alles seien Folgen einer langjährig­en Unterfinan­zierung des Strafvollz­ugs. Es sei Aufgabe der Politik, all diese Probleme zu lösen, sagt Jabloner. Stattdesse­n habe sich Türkis-Blau auf sogenannte „Leuchtturm­projekte“konzentrie­rt wie etwa die Indexierun­g der Familienbe­ihilfe. An ihr lässt Jabloner kein gutes Haar: Eine Regierung, die „Leuten, denen es eh schon schlecht geht, noch Geld wegnimmt“und das als Leuchtturm­projekt bezeichne, „so eine Regierung kommt mir reichlich schlicht vor“.

Zumal alle einschlägi­g versierten Juristen sich einig waren, dass das Vorhaben europarech­tswidrig sei. Dass sich die Regierung dennoch auf die Indexierun­g versteift und sich dafür sogar ein Privatguta­chten besorgt habe, in dem ein Jurist eine Einzelmein­ung vertrat, „gehört sich für einen Staat nicht“, meint Jabloner.

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