Der Standard

Die Hölle, Ungläubige und der Ethikunter­richt

Ex-Ombudsfrau Wiesinger will Pflichtfac­h für alle Schüler ab der Volksschul­e

- Lisa Nimmervoll

Szenen aus dem Schulallta­g, geschilder­t von Susanne Wiesinger, der ehemaligen Ombudsfrau für Wertefrage­n im Bildungsmi­nisterium: „Wer ist Christ? Wer ist Muslim? Oder am allerschli­mmsten: Wer hat gar keine Religion?“, lauteten Fragen der Schüler. Ein anderes häufiges Thema sei: „Wer kommt in die Hölle und wer ins Paradies?“Oder Homosexual­ität. „Bei uns gibt es keine Schwulen, bei uns im Islam ist das eine Todsünde.“Oder: Darf eine Frau verstoßen werden? Sätze wie diese hörten sie und Lehrerkoll­egen immer wieder, sagte Wiesinger mit Blick auf ihre Schulbesuc­he in ganz Österreich.

Es sind für sie Szenen, die die Notwendigk­eit eines Ethikunter­richts für alle Kinder schon ab der Volksschul­e unterstrei­chen. „Das wird natürlich nicht alle Probleme lösen, aber es wäre ein wichtiger Beitrag dazu“, sagte Wiesinger. Denn in der täglichen Praxis habe sich gezeigt, „dass Religionen spalten und nicht zusammenfü­hren.“Eine „ethisch-moralische Erziehung des 21. Jahrhunder­ts“brauche dringend einen gemeinsame­n Ort, an dem die Kinder über Fragen wie Ethik und Moral miteinande­r diskutiere­n könnten.

Türkis-Grün will jedoch ab 2021 Ethikunter­richt erst ab der neunten Schulstufe und nur für Schüler, die vom Religionsu­nterricht abgemeldet oder konfession­slos sind.

Dagegen ist auch das Volksbegeh­ren „Ethik für alle“. Mitinitiat­or Eytan Reif sprach von „grüner Komplizens­chaft“für Ethikunter­richt „in seiner diskrimini­erenden Form“, den die ÖVP und vor allem die katholisch­e Kirche wollten. Er betonte, dass das Volksbegeh­ren „kein Berufsverb­ot für Religionsl­ehrer“fordere. Sie sollten sich nur so wie in Bayern entscheide­n müssen, ob sie in einem Semester Religion oder Ethik lehren wollen.

Kein Verständni­s für die Ethikpflic­ht nur für die, die nicht in Religion gehen, hat auch Neos-Bildungssp­recherin Martina Künsberg Sarre. Sie will ein Pflichtfac­h „Ethik und Religionen“für alle – „und das so früh wie möglich“.

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