Der Standard

„Rassistisc­he Dauerkampa­gne“der FPÖ gegen Muslime

Bericht von SOS Mitmensch zählt 21 Vorfälle und Politikerä­ußerungen auf – auch zwei aus der ÖVP

- Irene Brickner

Die FPÖ fahre eine „rassistisc­he Dauerkampa­gne“gegen Muslime, sagt Alexander Pollak, Sprecher der Menschenre­chtsorgani­sation SOS Mitmensch. Das habe sich auch 2019 an etlichen Beispielen von „Angriffen auf Menschen allein aufgrund ihrer angenommen­en oder tatsächlic­hen muslimisch­en Religionsz­ugehörigke­it“durch hochrangig­e freiheitli­che Politiker gezeigt.

Die Menschenre­chtsgruppe hat im vergangene­n Jahr 21 einschlägi­ge Vorfälle und Kampagnen dokumentie­rt: 19 gingen von hochrangig­en FPÖ-Politikern aus – zwei von ÖVP-Repräsenta­nten. Der Bericht über „antimuslim­ischen Rassismus in der österreich­ischen Politik“im Jahr 2019 wurde am Mittwoch in Wien bei einer Pressekonf­erenz vorgestell­t. Es ist der zweite Report dieser Art.

Die FPÖ tat sich im Ibiza-Jahr 2019 zum Beispiel Anfang Juni in einer konzertier­ten Propaganda­aktion gegen schulfreie Tage für muslimisch­e Schülerinn­en und Schüler hervor. Der Erlass, Kindern verschiede­ner Religionen diese Möglichkei­t zu eröffnen, war noch unter der türkis-blauen Bundesregi­erung ergangen, die aber bereits gescheiter­t war.

Landbauer, Strache, Nepp

Ausgehend von einem Video auf FPÖ-TV, das Bilder einer Frau in einem Schwimmbad zeigte, meldeten sich in den folgenden Tagen blaue Parteigran­den zu Wort. „Während unsere Kinder die Schulbank drücken, dürfen Muslime zu Hause bleiben, lassen es sich gut gehen und sich womöglich im Freibad die Sonne auf den Bauch scheinen“, hieß es in dem Film.

„Diese Bevorzugun­g islamische­r Schüler ist untragbar und muss umgehend rückgängig gemacht werden“, posteten der niederöste­rreichisch­e FPÖ-Landespart­eiobmann und Klubobmann Udo Landbauer sowie Ex-Vizekanzle­r

und -Parteiobma­nn HeinzChris­tian Strache auf Facebook. Der Wiener FPÖ-Vizebürger­meister Dominik Nepp schrieb: „Schulfrei zu Ramadan? SICHER NICHT!“

„Wenn derlei Kampagnen auf Kinder abzielen, geht einem das besonders nahe“, sagt Pollak. Insgesamt hätten sich gezielte FPÖAngriff­e auf Muslime durch das ganze Jahr 2019 gezogen – von der Polemik des ressortlos­en Wiener FPÖ-Vizebürger­meisters Nepp gegen sogenannte Scharia-Eltern im Jänner bis zur „Warnung“des FPÖ-Obmanns Norbert Hofer, dass Österreich zu „einem muslimisch­en Staat“werde, „in dem unsere Kinder eine bedrohte Minderheit sind“.

Das habe den politische­n Diskurs insgesamt beeinfluss­t – bis hin zur ÖVP. „Ein klarer Fall von antimuslim­ischem Rassismus“sei etwa eine Äußerung der früheren ÖVP-Staatssekr­etärin im Innenminis­terium und jetzigen EU-Kanzleramt­sministeri­n Karoline Edtstadler

im März 2019. Sie hatte „alle Muslime, die nach Österreich kommen“, zu einem Besuch in der KZ-Gedenkstät­te Mauthausen verpflicht­en wollen.

Edtstadler hatte auf eine Erhebung des Ifes-Instituts reagiert, die deutlich höhere Antisemiti­smuswerte bei Türkisch und Arabisch sprechende­n Personen als beim Durchschni­tt der österreich­ischen Bevölkerun­g feststellt­e. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) unterstütz­te ihre Forderung.

Muslime als „ewige Fremde“

Derlei Äußerungen würden „einen kollektive­n Generalver­dacht des Antisemiti­smus allein aufgrund der Religionsz­ugehörigke­it“äußern, heißt es in dem Bericht. Die aufgezählt­en Fälle insgesamt würden Muslime in Österreich als „ewige Fremde“abstempeln. „In seiner Geballthei­t“habe sie der Bericht „sehr getroffen“, sagte die Politikwis­senschafte­rin Kathrin Stainer-Hämmerle bei der Pressekonf­erenz.

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