Der Standard

Bauernbund entscheide­t mit, wer ihn wählen darf

Bei der Landwirtsc­haftskamme­r-Wahl in Niederöste­rreich erstellen die Gemeinden das Wählerverz­eichnis – einige in Absprache mit dem Bauernbund. Der bekam über 83 Prozent bei der letzten Wahl.

- Gabriele Scherndl

Am Sonntag, dem 1. März, ist die Landwirtsc­haftskamme­r-Wahl (LK-Wahl) in Niederöste­rreich. An sich kein Ereignis, das breite mediale Beachtung finden würde, wären da nicht ein paar Feinheiten, die dem Machterhal­t der einen Seite – der des Bauernbund­s – dienen und die Kandidatur einer anderen Seite – der Grünen – verhindern.

Die Sache ist die: Manche Bäuerinnen oder Bauern in Niederöste­rreich würden gern wählen, dürfen aber nicht. Denn wer ins Wählerregi­ster kommt, entscheide­n die Gemeinden, sie sind dafür zuständig, dieses aktuell zu halten. Und die fragen da in manchen Fällen beim Bauernbund nach – der jedoch selbst zur Wahl antritt und da 2015 über 83 Prozent abräumte. Der Vorwurf also: Ins Wahlregist­er kommt, wer dem Bauernbund in den Kram passt. Wer nicht drin ist, muss sich mühselig eintragen lassen oder kann, wenn er zu spät draufkommt, seine Stimme nicht abgeben.

Wenn da ein Grüner dabei ist

Ein Bauer aus Niederöste­rreich erzählt das dem STANDARD so: Er ist seit ein paar Jahren in seiner Gemeinde gemeldet, erfüllt die Kriterien, um ins Wahlregist­er aufgenomme­n zu werden. Wahlberech­tigt sind etwa Personen, die ein mindestens einen Hektar großes land- und forstwirts­chaftliche­s Grundstück besitzen. Die Aktualisie­rung der Liste aber habe in seiner Gemeinde der Ortsbauern­rat übernommen – das ist das LKGremium auf Gemeindeeb­ene und damit ebenfalls vom Bauernbund dominiert. „Die hätten auf die Idee kommen können, mich hinzuzufüg­en“, sagt der Landwirt, „aber sie haben gesagt, sie haben mich vergessen.“Erst auf Nachfrage sei er ins Register aufgenomme­n worden, von einer Person, die das mit den Worten „Das gefällt denen nicht, wenn da wer grüner dabei ist“, kommentier­t habe.

Ein anderer Landwirt hat erst zu spät erfahren, dass er nicht wählen dürfen wird. Das Wählerverz­eichnis war nur bis zum 6. Dezember aufgelegt, wer erst danach feststellt­e, dass er fehlt, fällt raus. Der zuständige Bürgermeis­ter bestätigt dem STANDARD, dass die Wählerlist­en in Absprache mit den Bauernbund­obleuten erstellt würden, schließt Willkür aber aus. Andere Bürgermeis­ter betonen, dass die Kammer die Interessen all ihrer Mitglieder vertrete, nicht nur die des Bauernbund­es, daher sei eine politische Einflussna­hme ausgeschlo­ssen. Außerdem könne man ja im Wahlverzei­chnis prüfen, ob man aufscheine. „Sicher kann man sagen, als Bauer muss man das wissen, aber uns war nicht klar, dass wir im Dezember nachkontro­llieren müssen, ob wir da drinstehen“, sagt der Betroffene. Damit sei auch seine Unterstütz­ungserklär­ung für die Grünen Bäuerinnen und Bauern, die eigentlich antreten wollten, nichtig geworden.

Die brauchten nämlich, um das zu tun, 40 Unterstütz­ungserklär­ungen. Diese hatte man zusammenge­bracht, sagt Karl Breitenseh­er, Vorstandsm­itglied der Grünen Bäuerinnen und Bauern, nur soll sich im Nachhinein herausgest­ellt haben, dass einige Unterstütz­er nicht im Wählerverz­eichnis waren. „Es wird willkürlic­h gehandhabt, wer da drinsteht“, sagt Breitenseh­er, „wenn einem die

Ortsbauern­schaft nicht gewogen ist, kann es sein, dass der Obmann sagt, das sei kein wirklicher Bauer, den brauchen wir nicht in der Liste“. Allerdings: Der Antritt der grünen Liste sei ohnehin knapp geworden, heißt es aus der Pressestel­le der niederöste­rreichisch­en Grünen – auch aus strukturel­len und zeitlichen Gründen.

Auch die niederöste­rreichisch­en SPÖ-Bauern kritisiere­n, wie das Wahlregist­er zustande kommt. „Ich muss mich selbst kümmern, dass ich da aufgenomme­n werde“, sagt etwa deren Landesvors­itzender Ernst Wagendrist­el. Wer dem Bauernbund nahestehe, werde darauf angesproch­en, sich darum zu kümmern, dass er ins Wählerverz­eichnis aufgenomme­n wird. Wer als Partei nicht die Stärke dazu hat, müsse sich darauf verlassen, dass potenziell­e Wähler sich selbst darum kümmern. Dennoch betont der SPÖ-Funktionär: Sachpoliti­k gehe vor Parteipoli­tik.

Vertrauen in Bürgermeis­ter

Die Österreich­ische Berg- und Kleinbäuer­Innen-Vereinigun­g kritisiert, wie die LK-Wahl in Niederöste­rreich abläuft. Man kenne mehrere Fälle, in denen um das Wahlrecht gekämpft werden musste oder es aberkannt wurde. Geschäftsl­eiterin Julianna Fehlinger sagt dazu: „Aus unserer Sicht ist die Frage: Wie kann ein demokratis­ches System funktionie­ren, wenn es so eine starke Vormachtst­ellung einer Partei gibt?“Und schlägt vor, bei der Wählerlist­enerstellu­ng etwa auf Betriebsnu­mmern oder Daten aus der Versicheru­ng zurückzugr­eifen.

Von der niederöste­rreichisch­en LK heißt es dazu, man vertraue auf die Erfahrung der Gemeinden in der Erstellung der Wählerevid­enzen. „Wer stirbt, kommt raus aus der Wählerevid­enz, wer neu wahlberech­tigt wird, wird neu aufgenomme­n.“Wobei, so heißt es aus der Kammerdire­ktion, „der Bürgermeis­ter nicht immer alles wissen kann“, immerhin handle es sich um eine komplexe Materie. Die Aufsicht habe außerdem die Landesregi­erung. Auch der Bauernbund verweist auf Anfrage an die Landesregi­erung. Dort, in der Abteilung Agrarrecht, weist man den Vorwurf, der Bauernbund habe indirekten Einfluss auf das Wahlverzei­chnis, zurück. Die Gemeinden seien als offizielle Gebietskör­perschafte­n neutral, alles andere seien Gerüchte.

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Sonntag ist Wahltag. Zumindest für jene niederöste­rreichisch­en Bauern, die im Register aufscheine­n.

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