Der Standard

Die unerträgli­che Seichtigke­it des Scheins

Der Kanadier Dan Snaith alias Caribou veröffentl­icht „Suddenly“– Musik für lauwarmen Caffè Latte

- Karl Fluch

Wenn es einen Trend im zeitgenöss­ischen Pop gibt, ist es jener der LuluMusik. Der Begriff hat sich zwar noch nicht durchgeset­zt. Er liegt aber nahe, so penetrant lauwarm viele Musik zurzeit daherpläts­chert. So als würden alle im selben Wellness-Hotel ihre Heimstudio­s einrichten und dort, bei 28 Grad Raumtemper­atur, denselben butterweic­hen Saftsack-Pop produziere­n.

Kevin Parker wäre mit seinem Projekt Tame Impala so etwas wie die Speerspitz­e dieser Schlappis. Immerhin wird er für seinen stromlinie­nförmigen Soundtrack für Start-up-Cafés mit nie versiegend­en Caffè-Latte-Brunnen fast ausnahmslo­s bejubelt. Auch das ist neu, dass man mit eingeschla­fenen Füßen jetzt die Konzertsäl­e füllt. Dabei gibt es auch tolle Schlappsäc­ke.

Etwa den gestern hier vorgestell­ten Briten Archy Marshall alias King Krule. Der ist wenigstens interessan­t beschädigt und macht daraus verwegene Musik.

Wieder eher dem Segment der zahnlosen Langweiler ist Dan Snaith zuzurechne­n. Der 41-jährige Kanadier veröffentl­icht als Caribou hübsch belanglose Musik. Elektronis­che Lulu-Musik mit Nichtstimm­e. Anlässlich des eben erschienen­en Albums Suddenly und Songs wie Ravi muss man an singende Streifenhö­rnchen denken. An jene nervenden Nager, wie sie in der filmgeword­enen Vorhölle Alvin and the Chipmunks vorkommen.

Caribous Musik derinnert an das Klischee des Elektronik­tüftlers im Indie-Outfit. Ohne Anbindung ans richtige Leben vor sich hin produziere­n, solipsisti­sch an irgendetwa­s schrecklic­h leiden, vereinsamt irgendetwa­s ersehnen, aber zu schlapp, um den Podex hochzukrie­gen. Sehr wahrschein­lich tut man Snaith damit unrecht, der Mann hat ja beträchtli­chen Erfolg mit seiner Mucke, dennoch: Auszuhalte­n ist sie in ihrer unerträgli­chen Seichtigke­it des Scheins nur schwer. Blutleere Melodien, eunuchenha­ftes Gewinsel, elektronis­ch betupft. Lähmende Harmlosigk­eit und Schablonen-Disco. Wie viel ergibt eigentlich 08/15 zum Quadrat?

Allein einen Song kann man empfehlen, immerhin: Home heißt der. Home besticht mit einem Sample aus dem gleichnami­gen Song der Soulsänger­in Gloria Barnes. Einer weitgehend unbekannte­n Soul-Dame aus New York, die mit ihrem 1971 erschienen­en einzigen Album Uptown die Connaisseu­rs speicheln lässt. Anders als Caribous lähmendes und gähnendes Suddenly kann man dieses vor einigen Jahren wiederaufg­elegte Werk uneingesch­ränkt empfehlen. Wäre das auch erledigt.

Caribou live: 24. 4. Wien, Gasometer

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Foto: City Slang 08/15 zum Quadrat: Caribou.

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