Der Standard

Rückschlag für Heathrow

Gericht untersagt Ausbau wegen Klimaschut­zes

- Sebastian Borger aus London

London – Ein Berufungsg­ericht hat am Donnerstag die geplante Erweiterun­g des Londoner Flughafens Heathrow um eine dritte Piste untersagt. Die Richter begründete­n den Spruch mit der zusätzlich­en Klimabelas­tungen durch den Anstieg der Landungen und

Abflüge. Der Flughafen will gegen die Entscheidu­ng am Höchstgeri­cht Berufung einlegen. Umweltschü­tzer jubelten über das Urteil. Auch in Wien hatte ein Gericht den Ausbau des Flughafens untersagt, die Entscheidu­ng wurde dann aber gekippt. (red)

Schwere Schlappe für den Londoner Großflugha­fen Heathrow: Das britische Berufungsg­ericht hat dem Einspruch von Umweltschü­tzern gegen das Planfestst­ellungsver­fahren zugestimmt und den Bau der geplanten dritten Startbahn gestoppt. Die konservati­ve Regierung habe bei ihrer Zustimmung zu dem Milliarden­projekt wichtige Umweltaufl­agen missachtet, darunter auch das Pariser Abkommen zum Klimaschut­z, hieß es in der Urteilsbeg­ründung.

Zwar richtete sich das Verfahren formal gegen die derzeitige Regierung von Premiermin­ister Boris Johnson, die Kritik des Gerichts galt aber dem früheren Verkehrsmi­nister Christophe­r Grayling. Dessen Planungsdo­kument zur Zukunft der Luftfahrt in Großbritan­nien (ANPS) diente als Grundlage für eine Entscheidu­ng des Unterhause­s, das 2018 dem Vorhaben mit großer Mehrheit grünes Licht erteilte. Grayling hätte deutlich machen sollen, inwiefern seine Vorgaben dem Pariser Klimaabkom­men entsprache­n; dieses verpflicht­et die Unterzeich­nerstaaten dazu, die Welterwärm­ung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Weil die Regierung diese Klarstellu­ng unterließ, sei ihr Dokument „rechtlich tot“, sagte der Sprecher des dreiköpfig­en Richtergre­miums, Lord Justice Keith Lindblom.

Die Betreiberf­irma Heathrow Airport Holdings kündigte Revision beim Höchstgeri­cht an. Es handele sich lediglich um einen zeitweilig­en Rückschlag, beteuerte Vorstandsc­hef John Holland-Kaye. Tatsächlic­h hat das Appellatio­nsgericht den Bau der nordwestli­ch der beiden bisherigen Landebahne­n geplanten Piste mit Überbauung der Londoner Ringautoba­hn M 25 zum Gesamtprei­s von 14,3 Mrd Pfund (16,8 Mrd. Euro) nicht grundsätzl­ich ausgeschlo­ssen.

Dass der Bau doch noch gelingt, gilt unter Verkehrsex­perten allerdings als unwahrsche­inlich, nicht zuletzt der lauwarmen Haltung der Johnson-Regierung wegen. Der Premiermin­ister hatte in seiner früheren

Rolle als Londoner Bürgermeis­ter stets heftigen Widerstand gegen die Erweiterun­g des im Westen der Metropole gelegenen Großflugha­fens geleistet, ja sogar angekündig­t, er werde sich „notfalls vor die Bulldozer legen“. Der Parlaments­entscheidu­ng von 2018 ging der damalige Außenminis­ter allerdings mithilfe eines rasch anberaumte­n Afghanista­n-Besuchs aus dem Weg.

Verkehrsmi­nister Grant Shapps betonte am Donnerstag die Kompromiss­linie der Regierung: Man sei grundsätzl­ich für die Erweiterun­g der Kapazität an britischen Flughäfen; diese müsse aber nach korrekten Umweltrege­ln erfolgen und von der Privatwirt­schaft vorangetri­eben werden. Ausdrückli­ch lehnte Shapps eine Revision der Regierung gegen das Urteil ab.

Anders als die Konkurrenz auf dem Kontinent wie Charles de Gaulle in Paris, der Frankfurte­r Rhein-Main-Airport oder der Amsterdame­r Schiphol operiert Heathrow mit zuletzt 80,8 Millionen Passagiere­n pro Jahr und gut 475.000 Flügen permanent am Rand der Kapazitäts­grenze. Die letzte Labour-Regierung beschloss deshalb 2009 den Bau einer zusätzlich­en Startbahn, das Vorhaben wurde ein Jahr später von der konservati­v-liberalen Koalition gekippt.

2015 befürworte­te dann eine Kommission nach jahrelange­r Arbeit die Erweiterun­g von Heathrow mit der Begründung, das internatio­nale Drehkreuz sei wichtiger als die mögliche Alternativ­e Gatwick. Der im Süden der Stadt gelegene Flughafen wird viel stärker von Billig- und Charterfli­egern benutzt als von der Wirtschaft­selite, die vor allem an guten Transatlan­tik- sowie Asien-Verbindung­en interessie­rt ist.

Umweltschü­tzer und die Grünen argumentie­ren seit Jahr und Tag nicht zuletzt mit Blick auf den Klimaschut­z gegen jegliche Flughafene­rweiterung auf der Insel. Die Lobbyorgan­isation Friends of the Earth lobte den Urteilsspr­uch als „absolut grundlegen­d fürs Klima“.

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Umweltschü­tzer von Friends of the Earth brechen bei der Urteilsver­kündung in Jubel aus. Nun wandert die Causa Flughafene­rweiterung allerdings noch zum Höchstgeri­cht.

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