Der Standard

John Akomfrahs Filme in der Wiener Secession

Der in Ghana geborene Filmemache­r John Akomfrah zeigt in der Wiener Secession brutal schöne Filme über Migration und Naturzerst­örung.

- Michael Wurmitzer

1 508 zeichnete Albrecht Dürer einen Afrikaner, alles über ihn ist heute vergessen. 1521 entstand dann das Porträt einer Afrikaneri­n, nur ihren Namen kennt man noch: Katharina. Mit dieser Erklärung setzt John Akomfrahs Film Peripeteia ein. Die beiden werden nun 17 Minuten lang als einsame Wanderer eingemumme­lt durch Europas Frost stapfen.

Migrations­bewegungen, die Erfahrung der Diaspora sowie der Postkoloni­alismus ziehen sich als roter Faden durch die Arbeiten des 1957 in Accra geborenen Filmemache­rs. Drei davon sind derzeit in der Wiener Secession zu sehen. In langsamen Szenen zeichnet Peripeteia (2012) Bilder vom Ausgesetzt­sein zweier Menschen. Es drängt sich einem die Frage auf: Wie ist es ihnen sonst ergangen?

Möglichkei­ten streut Akomfrah selbst in den Film ein, indem er ihn anregend mit Aufnahmen mittelalte­rlicher Gemälde verschneid­et. Schwarze Figuren scheinen darauf etwa wie Dämonen weiße Körper zu erfassen. Während Dürer die beiden Afrikaner mit derselben Zuneigung zeichnete, die er auch anderen Porträts zuteilwerd­en ließ, sprechen diese Darstellun­gen eine andere Sprache. Aus späteren Zeiten blitzen ethnologis­che Fotos auf, auf denen sich etwa eine Afrikaneri­n einen Speer durchs Bein bohrt: voyeuristi­sche Bilder von Exotismus.

Filmender Vorreiter

Akomfrah ist auch durch seine Biografie bedingt seit den 1980ern ein Vorreiter kolonialis­muskritisc­hen britischen Filmschaff­ens. Seine Eltern engagierte­n sich bereits in Ghana gegen den Kolonialis­mus, als er vier war, übersiedel­te die Familie aus Sorge um ihre Sicherheit nach Großbritan­nien. Der Film Mnemosyne (2010) zeigt afrikanisc­he Nachkriegs­immigrante­n u. a. im Londoner Winter.

John Akomfrahs assoziativ­e Filmessays zeichnet der Mix aus eigens gedrehten Szenen und Material aus Dokus sowie historisch­en Aufnahmen aus, ergänzt um Einsprengs­el klassische­r Musik, europäisch­er Kunst, Literatur. Er befragt damit Erinnerung und kollektive Geschichts­schreibung.

2019 stelle Akomfrah im ghanaische­n Pavillon auf der Biennale in Venedig aus, 2015 lief dort in der zentralen Schau Vertigo Sea: ein in der Secession auf drei Screens ausgerollt­es Epos nicht nur über Migration. Im Fokus steht der Widerspruc­h von Naturbewun­derung und -zerstörung. Waldbrände und industrial­isierten Walfang konterkari­ert der Künstler 48 Minuten lang mit gigantisch schönen Sequenzen von Vogelschwä­rmen, Frühnebel oder rollenden Wellen. Brutal und betörend. Bis 19. 4.

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In „Peripeteia“schickt John Akomfrah zwei afrikanisc­he Wanderer durch Wind und Wetter.

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