Verdorbene Eier liegen der Industrie im Magen
Wien – Messer schlitzen die Eier über Blechen auf. Schlitze trennen sie in Dotter und Eiweiß. Täglich werden in Biberbach 1,5 Millionen Eier maschinell aufgeschlagen. Sie fließen in riesige Container und handliche Fünf-Liter-Verpackungen, werden zu Stangen gefroren oder als Spiegeleier in Folien verschweißt. Die Abnehmer der pasteurisierten Eierware sind namhafte österreichische Lebensmittelhersteller, Großbäcker und Gastronomiebetriebe. Produziert wird sie von Pro Ovo. Dass der Betrieb 80 Prozent der Eier aus dem Ausland bezieht, zu einem guten Anteil aus Käfighaltung, ließ die Industrie lange kalt. Nun ist sie in Schockstarre, Lebensmittelbehörden sind alarmiert.
Pro Ovo soll verdorbene und schimmelnde Eier, aus denen Maden krochen, industriell verflüssigt haben. Die Justiz ermittelt gegen den niederländischen Konzern wegen Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs. Gegründet wurde das Werk 1988, um Eierüberschüsse nach Ostern aufzufangen. Preiserhöhungen ließen es bald in die Insolvenz rutschen. Ende der 90er-Jahre stieg die niederländische Interovo ein und machte es mithilfe günstiger Importe rentabel. In der Branche machte Pro Ovo zuletzt als starker Gegner der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung für Eier in verarbeiteten Lebensmitteln auf sich aufmerksam.
Eierbauern sind sauer und sehen ein Versagen der Lebensmittelaufsicht. In ihren Reihen wird der Ruf nach der Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) laut: Dieser gehöre die Möglichkeit eingeräumt, als oberste Kontrollstelle den Ländern bei der Aufsicht strenger auf die Finger zu schauen.
Dabei klingen Österreichs Geschäfte mit Eiern auf den ersten Blick nach einer Erfolgsgeschichte, die über mehr Tierwohl und höhere Transparenz in der Produktion erzählt. Gemeinsam mit der Schweiz verbot Österreich 2004 die klassische Käfighaltung für Legehennen. Seit heuer sind auch die letzten ausgestalteten, etwas größeren Käfige Geschichte. Der Lebensmittelhandel sortierte entsprechende Eier konsequent aus. Konsumenten akzeptierten anstandslos die um einige Cent höheren Preise, wodurch auch Landwirte von der Umstellung profitierten. Mittlerweile versorgen sich die Österreicher zu 90 Prozent mit frischen Schaleneiern selbst. Mehr als jedes fünfte Ei ist biologisch. Nur Frischmilch hat einen ähnlich hohen Bioanteil.
Billigimporte trotz hoher Eigenversorgung
Der wunde Punkt des Marktes: Jedes zweite konsumierte Ei entspringt nach wie vor Importen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses ein Käfigei ist, beträgt 50 Prozent. Die Hälfte der Hühner in der EU hat trotz des Verbots von Legebatterien keinen Auslauf. Drittländer wie die Ukraine regeln die Haltungsform überhaupt nicht, was deren Eier naturgemäß um ein Drittel billiger macht als heimische. Das nutzt der Lebensmittelindustrie, Großküchen und Wirten, die Ei flüssig, als Pulver oder tiefgefroren verarbeiten und verkochen. Ob Frittaten, Schnitzelpanier, Nudeln, Sachertorten oder Kaiserschmarrn – Eier tragen in kulinarischen Schmankerln des Landes selten rot-weiß-rote Mascherln.
Eine strengere Kennzeichnungspflicht für verarbeitete Nahrungsmittel soll hier bald Abhilfe schaffen. Voraussetzung dafür ist, dass das Ei die Hauptzutat ist. Lücken dafür gibt es weiterhin reichlich. Die Regierung will zwar große Gemeinschaftsverpfleger stärker in die Pflicht nehmen. Diese sorgen täglich für 2,5 Millionen Portionen Essen. Gastronomen bleiben davon aber unbehelligt: Der Konsument habe bei der Wahl seines Wirts ja Wahlfreiheit. (vk)