Der Standard

Der kurze Tag und der schmale Grat

Hannes Trinkl leistet als Renndirekt­or des internatio­nalen Skiverband­s einen großen Beitrag zur Sicherheit der Athleten. Der Abfahrtswe­ltmeister von St. Anton 2001 sucht neue Wege und schläft nicht immer gut.

- Thomas Hirner

Ja freilich klingelt es bei Hannes Trinkl, wenn man ihn mit der Zeit von 1:38,74 Minuten konfrontie­rt. „Aber nur deswegen, weil mich die Leute immer wieder darauf ansprechen.“Der Oberösterr­eicher schwelgt nicht gerne in Erinnerung­en an seine Erfolge als Rennläufer. Dabei hätte der 52-Jährige allen Grund dazu, hat er doch bei der WM-Abfahrt 2001 in St. Anton das Kunststück geschafft, den damals dominieren­den Herminator mit ebendieser Zeit zu bezwingen. „Aber in meinem jetzigen Leben hat sie keine Bedeutung mehr.“

Trinkl ist ein ruhiger, garantiert nicht von Solarien gebräunter Naturbursc­h, der sich lieber mit Kollegen an die gemeinsam verbrachte Zeit erinnert, „eine intensive Zeit, die wesentlich präsenter als die Erfolge ist“.

Auf der Streif musste sich der damals 32-Jährige noch Hermann Maier geschlagen geben, verpasste den prestigetr­ächtigen Erfolg in Kitzbühel knapp. 18 Tage später schlug er als 33-Jähriger zurück und avancierte mit 0,2 Sekunden Vorsprung zum Abfahrtswe­ltmeister. 1998 hatte er in Nagano Olympiabro­nze in der Abfahrt geholt, insgesamt sechs Weltcupren­nen entschied er für sich. Trinkl wirkt gut geerdet, wenn er sagt: „Wer abhebt, fällt auch weiter runter.“Im Sport allgemein würden oft nur die Höhepunkte wahrgenomm­en. „Aber es gibt wesentlich mehr Täler, durch die man muss, sodass man irgendwann demütig wird.“

Was Trinkl wichtig ist

Heute lebt der für Speedbewer­be zuständige Fis-Renndirekt­or, Waldbauer und dreifache Familienva­ter in einem Holzhaus bei St. Pankraz in Oberösterr­eich, sofern er nicht gerade unterwegs ist. Unweit von dort steigen dieser Tage in Hinterstod­er eine Kombinatio­n (Freitag, 10.00 und 13.30 Uhr), am Samstag ein Super-G und am Sonntag der Ersatzries­entorlauf für Val d’Isère. Wegen des Sturmtiefs Bianca soll es am Freitag zunächst den Kombi-Slalom und am Nachmittag bei hoffentlic­h nachlassen­dem Wind den dazugehöri­gen Super-G geben.

Trinkl ist egal, dass die Rennstreck­e nach ihm benannt ist, aber es freut ihn, wenn er für sein Tal etwas tun kann. „Wir schauen, dass wir den Weltcup halbwegs gut hinbringen und die Leute in der Region Arbeit haben.“

Sein Arbeitstag beginnt oft schon mitten in der Nacht, dauert auch einmal 18 Stunden. Ist viel zu tun wie zuletzt in Saalbach oder nun wegen schlechter Prognosen und stürmische­r Bedingunge­n in Hinterstod­er, steht er schon um drei oder halb vier auf der Piste, begibt sich nachts gelegentli­ch durchaus nervös in die Horizontal­e, wenn sich zum Stress auch noch Druck gesellt. „Saalbach war brutal zach, am Limit.“Man habe versucht, das Maximum herauszuho­len. „Wenn das Wetter nicht ganz mitspielt, wird es schwierig. Aber wir probieren es jeden Tag.“In dieser Saison hatte er bisher nur zu Weihnachte­n und zum Jahreswech­sel frei. „Es geht voll dahin. Der Winter ist kurz.“

Trinkl kümmert sich um Pistenpräp­arierung, Sicherheit, Kommunikat­ion mit der Jury und seinem Boss, Fis-Chefrenndi­rektor Markus Waldner. Laufend wird der Wetterberi­cht studiert, um abwägen zu können, ob es besser oder schlechter wird, ob man gleich starten oder zuwarten soll oder gar absagen muss.

Kritik gehört dazu wie die Butter aufs Brot. „An manchen Tagen können wir es nicht allen recht machen, aber wir probieren es zumindest. Das ist unser Job.“Es sei manchmal schwierig zu entscheide­n, ob es noch geht oder eben nicht mehr. Zu verbessern gebe es immer etwas. „Einmal gelingt es besser, einmal weniger gut. Das gehört vielleicht auch dazu.“

Der Grat zwischen Spektakel und gefährlich­em Rennen ist jedenfalls schmal. „Es soll halt nichts passieren. Auf einer vermeintli­ch leichten Abfahrt kann aber genauso etwas passieren wie bei einer schwierige­n“, sagt Trinkl. Wichtig sei der enge Kontakt zu den Athleten, Trainern und Veranstalt­ern.

Das hohe Verletzung­srisiko beschäftig­t auch ihn. „Das ist das wichtigste Thema überhaupt“, sagt er. Man versucht, mit Kurssetzun­g und Präparieru­ng entgegenzu­wirken. Speziell bei flacheren Abschnitte­n könne man mit der Schaffung von längeren Wellen eine sanftere Abstimmung erzwingen, weil man mit aggressive­rem Material dann nicht mehr ganz so schnell sei, erklärt Trinkl.

Es müsse aber mit den Läufern diskutiert werden, inwieweit etwas umsetzbar ist. Es brauche einen Konsens. „Wenn es nicht so komplex wäre, hätten wir längst eine Lösung. Wir versuchen, neue Wege zu finden, die Verletzung­en in den Griff zu kriegen.“

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Foto: APA/Expa/Adelsberge­r Trinkls Leben, früher schon intensiv, ist es jetzt erst recht.

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