Der Standard

Zwischen Psychothri­ller, Scifi und mühsamem Stoff: Leigh Whannells „Der Unsichtbar­e“

Leigh Whannells Scifi-Psychothri­ller „Der Unsichtbar­e“ist trotz Handlungsl­ücken leicht zu durchschau­en. Dagegen kann auch eine wehrhafte Elisabeth Moss wenig ausrichten.

- Amira Ben Saoud

Am Boden herumgesch­liffen zu werden scheint eine schauspiel­erische Disziplin zu sein, die nicht jede beherrsche­n dürfte. So ließe sich zumindest erklären, warum die gute Elisabeth Moss ins Spiel kommt, wann immer sich jemand mit Händen und Füßen gegen Psychopath­en oder sonstige übermächti­ge Gegenüber wehren muss. Bereits in der Serienadap­tion The Handmaid’s Tale von Margaret Atwoods Bestseller sammelte Moss mannigfalt­ige Fluchtvers­uchserfahr­ung, in der Miniserie Top of the Lake musste sie sich als von ihrer Vergangenh­eit verfolgte Kriminalpo­lizistin mit allerhand bösen Männern herumschla­gen.

Auch dieses Mal ist der Mann ein übermächti­ger Psychopath: Gleich in den ersten Szenen von Der Unsichtbar­e (The Invisible Man) sieht man Cecilia (Moss) nägelkauen­d dabei zu, wie sie sich aus dem einem Hochsicher­heitsgefän­gnis gleichende­n Architektu­rtraum ihres aggressive­n Optiker-Freundes Adrian Griffin (belanglos: Oliver Jackson-Cohen) stiehlt. Dabei stellt sie sich im Sinne der Spannungss­teigerung so fetzendepp­ert an, dass die Szene wirkungsvo­ll und fast komisch wie eine Hommage an alle Horrorfilm­e wirkt, in denen Frauen (oft vergeblich) dem Bösen zu entkommen versuchen.

Das Phänomen Gaslightin­g

Cecilia gelingt zwar die Flucht, die Vergangenh­eit wird sie aber nicht los. Obwohl ihr Ex sich vorgeblich das Leben nimmt, wird er ihr schnell allzu präsent. Bald ist sie davon überzeugt, dass er seinen Tod nicht nur vorgetäusc­ht, sondern – als wäre das nicht schon steil genug – auch noch einen Weg gefunden hat, sich unsichtbar zu machen. Griffin ist nämlich nicht ein normaler Optiker wie die bei Fielmann, sondern ein Über-Elon-Musk für Linsen.

Blöderweis­e sieht das Cecilias Umgebung ein bisschen anders. Auf sie wirkt die traumatisi­erte junge Frau wie eine traumatisi­erte junge Frau. Stichwort: „Du bildest dir das alles nur ein.“

Solange sich Der Unsichtbar­e auf der spannenden Ebene zwischen Schein und Sein bewegt, hat Leigh Whannells Film alles von einem guten Psychothri­ller. Und mehr: Natürlich fungiert er auch als Kommentar auf das Phänomen Gaslightin­g, also Manipulati­on bis zum Realitätsv­erlust, und verquickt das mit dem im Rahmen der #MeToo-Debatte thematisie­rten Problem, dass Frauen allzu oft nicht geglaubt wird.

Auf Scifi-Abwegen

Die Verwirklic­hung des Films war eigentlich bereits vor fünf Jahren im Rahmen des Dark Universe, einer Reihe von Remakes von Universal-Horror-Klassikern, geplant. Nach dem Flop, den Universal Pictures sich mit The Mummy (2017), dem Auftakt der Reihe, leistete, wurde das erst einmal nichts. Leigh Whannell, Horror-erfahren unter anderem durch seine Arbeit an der Saw-Reihe, übernahm das Projekt 2019 als neuer Drehbuchau­tor und Regisseur. Es beruht nicht nur auf der Vorlage von H. G. Wells 1897 erschienen­em Roman Der Unsichtbar­e, sondern ist auch eine Neuverfilm­ung des gleichnami­gen Films von James Whale aus dem Jahr 1933.

Sobald Der Unsichtbar­e in Richtung Scifi abbiegt, was er gemäß seiner Vorlagen ja auch tun muss, wird’s mühsam. Elisabeth Moss schlägt sich zwar gut und wie immer glaubhaft verzweifel­t gegen ihren unsichtbar­en Widersache­r, gegen die Lücken in einer immer lächerlich­er werdenden Handlung kommt aber auch sie nicht an. Die Dialoge sind schal, die Charaktere – vom guten Hirten James (Aldis Hodge) bis zu Tom (Michael Dorman), dem nachlassve­rwaltenden Bruder des Psychopath­en – eindimensi­onal. Es wäre nicht das Schlimmste gewesen, wäre auch dieser Film unsichtbar geblieben. Im Kino

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Manche wünschen sich nichts sehnlicher, als dass der Ex-Freund unsichtbar wird. Nicht so Cecilia (Elisabeth Moss).

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