Der Standard

Anständig unanständi­g

Suzi Quatro gastierte am Mittwoch in der Wiener Stadthalle

- Karl Fluch

Als sie während des Songs 48 Crash ihr Hinterteil in Richtung Publikum streckte und damit zum ruppigen Rhythmus des Songs wackelte, erntete sie Szenenappl­aus. „Einmalig!“, formuliert­e jemand Zustimmung für so viel BodyPositi­vity der alten Schule. Die Dame, die ihre vom Hals bis zu den Stiefeln in Leder gepackte Rückseite kreisen ließ, heißt Suzi Quatro. Sie gilt als die First Lady des CockRock. Ein seltsamer Titel, fürwahr, doch er ist eine Anerkennun­g für ihre Pionierarb­eit, die Legionen von Frauen im Pop-Business Mut gemacht und sie zur Selbstermä­chtigung motiviert hat: Suzi Quatro war eine der ersten Frauen, die den männlich dominierte­n Rock weiblich prägte.

Der Song 48 Crash eröffnet Quatros Debütalbum von 1973. Es läutete eine Weltkarrie­re ein, die die mittlerwei­le 69-jährige Lederdame am Mittwoch nach Wien führte, Quatro spielte in der so gut wie ausverkauf­ten (kleinen) Stadthalle.

Mopedrocke­rs Feuchttrau­m

Dort saßen vornehmlic­h Zeitzeugen im Publikum. „Vor 40 Johr hots in da großen Halle g’spüt!“, erfährt man ohne zu fragen von einem, der damals dabei war, heute aber zugibt, froh zu sein, dass er sitzen darf.

Doch bis Suzi Q, wie sie gerufen wird, ins für sie obligatori­sche Leder schlüpfte, dauerte es noch. Es fing vergleichs­weise sittsam an: In Schlangenl­ederstiefe­ln und einem aus demselben Tier (eh nicht echt) geschnitzt­en Sakko begann die Frau mit ihrer sechsköpfi­gen Band ein gut zwei Stunden dauerndes Programm. The Wild One fungierte als programmat­ische Eröffnungs­nummer, Q spielte den Bass und durchmaß damit rüstig und selbstiron­isch geschult die Bühne.

Quatros Musik ist meist ein schnörkell­oser Rock ’n’ Roll klassische­r Bauart, den sie in den 1970ern um jenen glamouröse­n Faktor anreichert­e, den der prosperier­ende Glamrock jener Zeit modisch vorschrieb. Sie trug damals ihre zur Trademark gewordenen Overalls mit Reißversch­luss bis in den Schritt und wirkte damit, als könnte sie in jedem Truck-Stop die dort an der Bar ins Bier weinenden Jungs unter den Tisch trinken. Oder zumindest rocken. Gleichzeit­ig wurde sie zum Postergirl für jeden anständige­n Mopedrocke­r mit seinen unanständi­gen Gedanken.

Das verhalf der aus Detroit stammenden Musikerin über ihre Wahlheimat England zu einer Weltkarrie­re, die 1978 einen für sie eher untypische­n Welthit hervorbrac­hte: Im Duett mit Chris Norman von Smokie sang sie den Country-Schlager Stumblin’ In – im Konzert so etwas wie eine notwendige Pflicht, für die sich der Gitarrist in die Rolle des damals dauergewel­lten Norman einfühlte. Gefühlswal­lungen im Publikum, „supa Suzi!“

Doch Quatro ist kein reiner NostalgieA­ct. Ihre Reputation als starke Frau in einem harten Business inspiriert­e Kolleginne­n wie Tina Weymouth von den Talking Heads, Joan Jett, Meg White von den White Stripes oder Chrissie Hynde von den Pretenders. Zwar lässt sie bis heute den Hintern kreisen, aber nur zu ihren Bedingunge­n. „Get out of my life“, singt sie in Macho Man, einem Song ihres im Vorjahr erschienen­en Albums No Control, und schickt einen Mistkerl mit angetäusch­tem Stinkefing­er zum Teufel.

Richtig Stimmung kam auf, als Suzi Keep On Rockin’ In the Free World von Neil Young coverte – wobei sie da mit dem Einsatz des Publikums zuerst nicht zufrieden war. Nachdem der Saal den Refrain trotz der Aufforderu­ng mitzusinge­n, kaum hören ließ, sagte sie „That was Scheiße“. Das motivierte, ab dann wurde brav mitgesunge­n, mit Suzi legt man sich besser nicht an.

Im zweiten Teil des Abends, im Lederteil, sang sie schließlic­h ihre Hits, jenen vom gefährlich­en Glycerine Girl, Can The Can, If You Can’t Give Me Love und She’s in Love With You, das nicht zu gering an I Was Made For Lovin’ You erinnerte, die DiscoWumme von Kiss von 1978. Der Saal brodelte nach seinen Verhältnis­sen. Und auch wenn es, wie man erneut ungefragt erfuhr, „vor 40 Johr“natürlich besser war. Schlecht war es heute nicht.

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