Der Standard

Denn sie weiß nicht, was sie tut

In der neuen Serie „I Am Not Okay with This“lässt Netflix einen Teenager mit all seiner Wut, seinen Ängsten und mysteriöse­n Superkräft­en auf die Zuschauer los – das kann nicht ohne Folgen bleiben.

- Astrid Ebenführer

Wenn es so einfach wäre. Ein Tagebuch als Maßnahme gegen Kummer, Angst, Wut? Das kann nur ein schlechter Scherz der Vertrauens­lehrerin sein! „Liebes Tagebuch, Fuck You!“sind dann auch die ersten Worte, die die 17-jährige Sydney Novak auf der ersten Seite notiert. Gleich danach beschreibt sie sich als stinknorma­les Mädchen, als nichts Besonderes also. Wenn sie sich da mal nicht täuscht.

In der neuen Come-of-Age-Serie

kämpft Sydney mit einer Krise, die man bei normalen Teenies gemeinhin Pubertät nennt. Das Problem: So ganz normal ist bei Sidney nichts. Aber das weiß sie noch nicht. Erst nach und nach entdeckt sie, was in ihr steckt. Und das ist ganz schön explosiv. Sydneys Geschichte basiert auf einer Graphic Novel von Charles with This siebenteil­igen

I Am Not Okay

Forsman. Regie führte Jonathan Entwistle, der für Netflix schon bei dabei war. Und die Macher der neuen Netflix-Serie haben schon mit der Teenie-Mystery-Serie

einen veritablen Quotenhit für den Streamingd­ienst eingefahre­n. Gut möglich, dass ihnen das nach dem Motto „Wenn Ihnen

Es

The End of the F***ing World

Stranger Things

F***ing Things

with This

The End of the World Stranger und gefallen hat, dann mögen Sie auch ...“mit wieder gelingt.

I Am Not Okay

Schön wütende Sophia Lillis

Zu verdanken wäre das vor allem der 18-jährigen Hauptdarst­ellerin Sophia Lillis, die schon in der Stephen-King-Verfilmung

in der Rolle der Beverly Marsh überzeugte. Als Sydney sucht sie jetzt in in sieben je 20-minütigen Folgen ihren Platz im Leben. Und diese

I Am Not Okay with This

Suche wird nicht einfach. Ihr Vater hat Suizid begangen, sie trauert, vermisst ihn, ihr fehlt eine Erklärung. Er war ihr Vorbild, ihr Held. Geredet wird darüber in ihrer Familie kaum. Dabei hätte sie das so bitter nötig.

Nervige Superkräft­e

Mit ihrer Mama (Kathleen Rose Perkins) liegt sie – alles andere als ungewöhnli­ch – im Clinch, ihr kleiner Bruder Liam (Aidan Wojtak-Hissong) nervt. Trotzdem gibt er ihr so was wie Halt in einer Welt, die nicht zu ihr zu passen scheint.

Sie ist die Außenseite­rin und so ganz anders als die gleichaltr­igen Kolleginne­n, die sich für Kleidung und Äußeres interessie­ren. Ihr genügen Schlabberp­ullis, am liebsten in unauffälli­gem Grau oder Beige, und ein praktische­r Kurzhaarsc­hnitt statt pflegeinte­nsiven Langhaars. Der Abschlussb­all kann ihr ebenso gestohlen bleiben wie romantisch­e Liebeleien. Sydney kämpft mit sich und der Welt, in ihr brodelt es. Und diese Wut hat eine Kraft, die werden kann. Vor allem für andere. Der Erste, der das zu spüren bekommt, ist der selbstverl­iebte, unsympathi­sche neue Freund ihrer besten (und einzigen) Freundin Dina (Sofia Bryant), den ganz plötzliche­s Nasenblute­n plagt. Und dann, als sie nur mittels wütender Gedanken Bowlingkug­eln durch den Raum fliegen lässt, ist sie sich selbst nicht mehr ganz geheuer. Kontrollie­ren kann sie diese inneren Kräfte nicht, und die Kontrolle über das eigene Tun zu verlieren ist nie angenehm.

Das erste Mal

Vorerst sind es nur diese kleinen Ereignisse, die zwar verunsiche­rn, aber nicht weiter schockiere­n. Sydneys Leben dreht sich weiter um ihre Teenie-Probleme. Es geht um eitrige Pickel auf den

Oberschenk­eln, den ersten Joint, das erste Unglücklic­h-verliebtSe­in und das erste Mal jemanden abweisen müssen, weil man dessen Gefühle nicht erwidert. Das passiert durchaus mit recht spritzigem Humor, viel Retro-Musik (etwa von Roxy Music, Roxette-Hit

oder von den Pixies) und feinen Dialogen. Besonders neu oder originell ist das nicht. Doch dann bahnen sich Sydneys Kräfte ihren Weg, werden stärker und zerstöreri­scher. Kontrollie­ren lassen sie sich immer noch nicht.

Für ihre Mitmensche­n wird es ungemütlic­h, vor allem für jene, die aus Rachegelüs­ten etwas gestohlen haben, was besser nicht in ihre Hände hätte geraten sollen. Da kommt wieder das Tagebuch ins Spiel, Stephen Kings lässt blutig grüßen und macht Lust auf eine zweite Staffel.

More Than This

It Must Have Here Comes Your

Been Love Man

Carrie

 ??  ?? Nachbar und Schulkolle­ge Stanley Barber (Wyatt Oleff) hat es schwer mit Sydney Novak (Sophia Lillis), sie es mit sich selber auch.
Nachbar und Schulkolle­ge Stanley Barber (Wyatt Oleff) hat es schwer mit Sydney Novak (Sophia Lillis), sie es mit sich selber auch.

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