Der Standard

Ein bisschen Frieden

Eine Woche lang probierten es die Konfliktpa­rteien in Afghanista­n mit weniger Gewalt. Dies soll nun durch ein Friedensab­kommen mit den USA zu einer dauerhafte­ren Angelegenh­eit werden.

- Michael Vosatka

Eine siebentägi­ge „Reduktion der Gewalt“sollte zeigen, ob es für den Deal zwischen den Taliban und den USA eine ausreichen­de Basis gebe und ob die Radikalisl­amisten ihre Kämpfer ausreichen­d unter Kontrolle haben. Dies war die Vorausbedi­ngung Washington­s für ein Abkommen, über das bereits seit Juli 2018 verhandelt wird.

Am Samstag endet nun die einwöchige Frist, damit dürfte der Weg frei sein für die Unterzeich­nung des Deals. Die Taliban scheinen jedenfalls ihre Probewoche gemeistert zu haben, auch wenn es vereinzelt zu Zwischenfä­llen kam. So explodiert­e am Mittwoch in Kabul ein auf einem Motorrad befestigte­r Sprengsatz und verletzte neun Menschen. Die Taliban bestritten jedoch, an dem Anschlag beteiligt zu sein. In Summe war in der Woche ein massiver Gewaltrück­gang zu verzeichne­n.

Neubeginn

Mit der Unterzeich­nung des Abkommens in Katars Hauptstadt Doha, wo die Taliban ihre politische Zentrale haben, soll eine neue Phase beginnen. Schrittwei­se sollen die USA ihre Truppen bis auf 8600 Mann reduzieren. Gleichzeit­ig soll die „Gewaltredu­ktion“in einen unbegrenzt­en Waffenstil­lstand zwischen den Kontrahent­en verlängert werden. Die Taliban garantiere­n weiters, in ihren Gebieten keine militanten Gruppen wie Al-Kaida oder den IS zu beherberge­n. Dies wertet ihren politische­n Status massiv auf, schließlic­h verdankten sie ihren Aufstieg nicht zuletzt der engen Partnersch­aft mit Osama bin Ladens Al-Kaida-Terroriste­n.

Auf dem Plan steht auch ein Gefangenen­austausch. Rund tausend afghanisch­e Sicherheit­skräfte und Regierungs­mitarbeite­r halten die Taliban gefangen. Umgekehrt hat die afghanisch­e Regierung mehr als fünftausen­d Talibankäm­pfer in ihren Gefängniss­en. Deren Freilassun­g ist für die Taliban die Grundvorau­ssetzung, um mit Kabul in einen Dialog über die Beilegung des Konfliktes zu treten.

Noch am Freitag trafen sich Vertreter der afghanisch­en Regierung zu Gesprächen mit den Taliban in Doha. Schließlic­h sollen in der neuen Phase plangemäß nun innerhalb von zehn Tagen innerafgha­nische Friedensge­spräche beginnen, um eine Aufteilung der Macht zu regeln.

Wie die Konfliktpa­rteien an einen Tisch zu bekommen sind, war für die US-Verhandler wohl die schwierigs­te Frage. Präsident Ashraf Ghani hatte zunächst gezögert, wie er mit der neuen Entwicklun­g umgehen solle. „Nun hat er aber erkannt, dass ein Treffen zu diesem Zeitpunkt entscheide­nd ist. Diese goldene Gelegenhei­t darf nicht verpasst werden“, sagte ein Sprecher des Präsidente­nbüros in Kabul.

Riskanter Deal

Für US-Präsident Donald Trump käme ein Friedensab­kommen sehr gelegen. Dieses ließe sich in seinem Wahlkampf um das Weiße Haus gut vermarkten, schließlic­h ist der Afghanista­nkrieg mit 18 Jahren und vier Monaten mittlerwei­le die längste kriegerisc­he Auseinande­rsetzung in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten. Der Deal birgt aber auch erhebliche Risiken. Bekanntlic­h hat die afghanisch­e Kriegshist­orie in den vergangene­n Jahrzehnte­n schon mehrfach gezeigt, wie rasch ein zartes Friedenspf­länzchen dahinwelke­n kann.

 ??  ?? Nicht ganz 99 Luftballon­s lassen Afghanen in Jalalabad steigen, um die siebentägi­ge Phase zur Reduktion der Gewalt zu feiern. Der Abzug der US-Truppen scheint greifbar, bis zum Frieden ist es aber noch weit.
Nicht ganz 99 Luftballon­s lassen Afghanen in Jalalabad steigen, um die siebentägi­ge Phase zur Reduktion der Gewalt zu feiern. Der Abzug der US-Truppen scheint greifbar, bis zum Frieden ist es aber noch weit.

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