Der Standard

Frankreich­s Laizismus könnte gemäßigten Imamen im Weg stehen

Präsident Macron will keine ausländisc­hen Imame im Land dulden – Würdenträg­er warnen, das könnte erst recht Islamisten helfen

- Stefan Brändle aus Paris

In Frankreich etabliert sich der neue Begriff des „islamistis­chen Separatism­us“. Er entstammt einem vielbeacht­eten Buch des Politologe­n Bernard Rougier namens Die vom Islamismus eroberten Territorie­n. Das Werk bezieht sich auf die französisc­hen Vorstädte – und Rougier verhehlt nicht: Frankreich hat die urbanistis­chen Voraussetz­ungen selbst geschaffen, indem es die Immigrante­n aus dem Maghreb in den Sechzigeru­nd Siebzigerj­ahren in neu errichtete­n Zonen am Stadtrand einquartie­rte.

Präsident Emmanuel Macron will diese Banlieue-Zonen nun in seinen Worten „für die Republik zurückerob­ern“. In der elsässisch­en Stadt Mulhouse sagte er dem „islamistis­chen Separatism­us“Mitte Februar bei einem Auftritt den Kampf an. Unter anderem wolle sein Land ab 2024 keine ausländisc­hen Imame mehr zulassen, sagt er. Nur so ließen sich Hasspredig­ten verhindern.

Macrons Auftritt war sicher auch auf die französisc­hen Kommunalwa­hlen im März gerichtet. Die gewichtigs­te Kritik kommt von dem neuen Rektor der Großen Moschee in Paris, Chems-Eddine Hafiz. Der gemäßigte Würdenträg­er empfängt mit Pfeffermin­ztee und MaghrebGas­tfreundlic­hkeit, spricht aber politisch Klartext. Macrons ImamProjek­t nennt er „unüberlegt“. Über das Ziel – die Rückweisun­g eines „kriegerisc­hen Islam“– herrsche zwar Einigkeit, meint der 65-jährige Frankoalge­rier. Doch die Methode sei kontraprod­uktiv. Warum das? „Weil es die Falschen trifft“, meint Hafiz und entrollt eine Argumentat­ionskette wie der erfolgreic­he Anwalt, der er früher war: In Frankreich gibt es ungefähr 2500 Moscheen und andere Gebetsorte, aber nur 400 eingeschri­ebene Imame. Von ihnen stammen nur hundert aus Frankreich selbst. Daher muss Frankreich die Mehrheit der Imame „importiere­n“. Der frühere konservati­ve Staatschef Nicolas Sarkozy schloss 2004 eine Übereinkun­ft mit Algerien: Es bildet die Imame aus und legt strenge Regeln an, die Gottesmänn­er müssen Französisc­h sprechen und die Rechtsordn­ung kennen.

Wenn diese „staatstrag­enden“Imame nicht mehr zugelassen sind, könnten kleinere Moscheen und obskure Gebetsräum­e versucht sein, Prediger ohne amtliche Zulassung anzuheuern, glaubt Hafiz. Er schätzt, dass der französisc­he

Laizismus letztlich schuld an einem religionsp­olitischen Widerspruc­h ist: Frankreich wolle keine fremdbesti­mmten Imame und Moscheen, untersage sich aber selbst deren Finanzieru­ng, da Kirche oder eben Moschee und Staat getrennt seien.

Was tun also, statt systemkonf­orme Imame auszuweise­n? „Frankreich muss die Grundlagen schaffen, um heimische Imame auszubilde­n. Zum Beispiel, indem sie ein priesteräh­nliches Statut erhalten“, fordert der Pariser Rektor. „Das das ist keine Prinzipien­frage, sondern schlicht eine des politische­n Willens.“

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