Frankreichs Laizismus könnte gemäßigten Imamen im Weg stehen
Präsident Macron will keine ausländischen Imame im Land dulden – Würdenträger warnen, das könnte erst recht Islamisten helfen
In Frankreich etabliert sich der neue Begriff des „islamistischen Separatismus“. Er entstammt einem vielbeachteten Buch des Politologen Bernard Rougier namens Die vom Islamismus eroberten Territorien. Das Werk bezieht sich auf die französischen Vorstädte – und Rougier verhehlt nicht: Frankreich hat die urbanistischen Voraussetzungen selbst geschaffen, indem es die Immigranten aus dem Maghreb in den Sechzigerund Siebzigerjahren in neu errichteten Zonen am Stadtrand einquartierte.
Präsident Emmanuel Macron will diese Banlieue-Zonen nun in seinen Worten „für die Republik zurückerobern“. In der elsässischen Stadt Mulhouse sagte er dem „islamistischen Separatismus“Mitte Februar bei einem Auftritt den Kampf an. Unter anderem wolle sein Land ab 2024 keine ausländischen Imame mehr zulassen, sagt er. Nur so ließen sich Hasspredigten verhindern.
Macrons Auftritt war sicher auch auf die französischen Kommunalwahlen im März gerichtet. Die gewichtigste Kritik kommt von dem neuen Rektor der Großen Moschee in Paris, Chems-Eddine Hafiz. Der gemäßigte Würdenträger empfängt mit Pfefferminztee und MaghrebGastfreundlichkeit, spricht aber politisch Klartext. Macrons ImamProjekt nennt er „unüberlegt“. Über das Ziel – die Rückweisung eines „kriegerischen Islam“– herrsche zwar Einigkeit, meint der 65-jährige Frankoalgerier. Doch die Methode sei kontraproduktiv. Warum das? „Weil es die Falschen trifft“, meint Hafiz und entrollt eine Argumentationskette wie der erfolgreiche Anwalt, der er früher war: In Frankreich gibt es ungefähr 2500 Moscheen und andere Gebetsorte, aber nur 400 eingeschriebene Imame. Von ihnen stammen nur hundert aus Frankreich selbst. Daher muss Frankreich die Mehrheit der Imame „importieren“. Der frühere konservative Staatschef Nicolas Sarkozy schloss 2004 eine Übereinkunft mit Algerien: Es bildet die Imame aus und legt strenge Regeln an, die Gottesmänner müssen Französisch sprechen und die Rechtsordnung kennen.
Wenn diese „staatstragenden“Imame nicht mehr zugelassen sind, könnten kleinere Moscheen und obskure Gebetsräume versucht sein, Prediger ohne amtliche Zulassung anzuheuern, glaubt Hafiz. Er schätzt, dass der französische
Laizismus letztlich schuld an einem religionspolitischen Widerspruch ist: Frankreich wolle keine fremdbestimmten Imame und Moscheen, untersage sich aber selbst deren Finanzierung, da Kirche oder eben Moschee und Staat getrennt seien.
Was tun also, statt systemkonforme Imame auszuweisen? „Frankreich muss die Grundlagen schaffen, um heimische Imame auszubilden. Zum Beispiel, indem sie ein priesterähnliches Statut erhalten“, fordert der Pariser Rektor. „Das das ist keine Prinzipienfrage, sondern schlicht eine des politischen Willens.“