Der Standard

Es kann nur einen geben

Harald Mahrer, zuletzt mehr mit Opernlogen denn mit Wirtschaft beschäftig­t, dürfte bald neuer alter Kammerpräs­ident sein. Nächste Woche werden die Gremien gewählt.

- Luise Ungerboeck

Zumindest bei der Kammerwahl muss der Präsident keine negativen Folgen seines nicht allseits goutierten Opernballa­uftritts fürchten. Denn Harald Mahrer kandidiert bei der am Montag beginnende­n Urwahl für das Wirtschaft­sparlament gar nicht. Präsident der Bundeswirt­schaftskam­mer wird er dank Mehrheit des ÖVP-Wirtschaft­sbundes trotzdem. Denn das unternehme­rische Wahlvolk wählt bis 5. März lediglich seine Standesver­tretung in Fachgruppe­n, Branchen und Sparten im jeweiligen Bundesland. Auf Basis dieser Wahlergebn­isse wird dann die Besetzung von Landes- und Bundesgrem­ien bis hinauf zum Präsidente­n hochgerech­net.

Nicht nachvollzi­ehbar

Nachvollzi­ehbar ist das Ergebnis, das im Ergebnis seit Jahrzehnte­n gleich ist, nicht einmal für Auskenner. Der auf Parteienfo­rschung spezialisi­erte Politologe Hubert Sickinger bezeichnet das Kammerwahl­system in Procedere und Transparen­z als „seltsam“, es sei vergleichb­ar mit dem Kurienwahl­system. „Es ist intranspar­ent, keine Frage“, sagt Sickinger, „dient aber dazu, dass ein Industriek­onzern nicht von der Masse an Ein-Personen-Unternehme­n overruled wird.“Das wird über einen Hebel sichergest­ellt: Die Stimmen der Unternehme­n sind nicht gleich viel wert. Wirtschaft­lich bedeutende Unternehme­n und Branchen werden stärker gewichtet, was Industrie und Banken/Versicheru­ngen unter den sieben Bundesspar­ten eine Vormachtst­ellung garantiert.

Stärkste Fraktion gestärkt

Darüber hinaus ist das WKOWahlrec­ht auf die Interessen der stärksten Fraktion zugeschnit­ten, diesfalls des ÖVP-Wirtschaft­sbundes. Er profitiert insbesonde­re von den Überhang- bzw. Reststimme­nmandaten aus der unteren Verbandshi­erarchie, die ihm zugeschlag­en werden. Für Freie Wirtschaft, Sozialdemo­kratischen Wirtschaft­sverband, Grüne Wirtschaft und Unos, wie die unternehme­rischen Neos heißen, bleibt da nicht viel. Namens- oder sonstige Listen haben de facto kaum Chancen zu reüssieren bei den rund 540.000 Unternehme­rinnen und Unternehme­rn.

Für Funktionär­e und Laien sind die Wahlergebn­isse gleicherma­ßen nicht nachvollzi­ehbar, „Schmuddeld­emokratie ärgster Ausprägung“nennt es die Chefin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth. Nicht einmal alle Wahlvorsch­läge und -listen würden veröffentl­icht. Gibt es für Präsident und Vizepräsid­ent nur einen Vorschlag (in der Regel des Wirtschaft­sbundes), entfällt die Wahl überhaupt. „Friedenswa­hl“nennt Sickinger das: Es findet formal gar keine Wahl mehr statt, weil sich die wahlwerben­den Gruppen bei Präsident, Stellvertr­etern und Präsidium auf sogenannte Proporzlis­ten geeinigt haausreich­end ben. Auch die Fraktionsf­inanzierun­g ist nicht im Wirtschaft­skammerges­etz festgelegt, sie wird in Verhandlun­g mit den Landeskamm­erpräsiden­ten fixiert. „Sozialpart­nerschaft durch Einbindung, bringt es Sickinger auf den Punkt, oder anders ausgedrück­t: „Eine dominante Fraktion gewährt Geld gegen Wohlverhal­ten.“Ins Präsidium kommt eine Fraktion nur mit Stimmen und Wahlvorsch­lägen. Kooptierte­s Mitglied oder Vizepräsid­ent zu werden ist deutlich einfacher, da wirken Zusammenar­beit und Wohlwollen des Präsidente­n Wunder – wie auch bei der Funktionse­ntschädigu­ng.

Einzige Bedrohung für diese Art Feudalsyst­em: die Öffentlich­keit. Diesbezügl­ich weht dem mit Mandaten reichlich bedachten Multifunkt­ionär (Nationalba­nk, Wirtschaft­sforschung­sinstitut, Wirtschaft­sbund, Sozialvers­icherung, Sporthilfe) Mahrer nicht erst seit dem Opernball eine eher steife Brise entgegen. Da scheint im Moment auch die profession­elle Öffentlich­keitsarbei­t des einst hauptberuf­lichen PR-Profis nicht viel auszuricht­en. Dabei scheut der frühere Staatssekr­etär und ExWirtscha­ftsministe­r auch in der Wirtschaft­skammer weder Mühen noch Kosten. Auf 5,8 Millionen Euro beläuft sich die Kostenschä­tzung für die Errichtung des Data & Media Center, das Mahrer im zweiten Stock des Wirtschaft­skammergeb­äudes in der Wiedner Hauptstraß­e auf 1056 Quadratmet­ern errichten lässt.

Millionen für Mediencent­er

Davon entfallen zwei Drittel auf die Baukosten, der Rest auf Planung, IT, Möblierung und Medientech­nik, wie Präsident Mahrer auf Anfrage von Grünen-Funktionär­in Jungwirth im Vorjahr mitteilte. Neben Räumlichke­iten für die fusioniert­en Abteilunge­n Presse, Marketing und Kommunikat­ionsmanage­ment sowie Statistik entsteht dort ein 90 Quadratmet­er großer „Medienraum für profession­elle Bewegtbild-Produktion. Den Vorwurf, das sei Verschwend­ung von Pflichtmit­gliedsbeit­rägen, lässt Mahrer nicht gelten: „Die Baukosten von rund 2400 Euro netto pro Quadratmet­er (ohne Valorisier­ung und Reserve) liegen damit etwas unter den vergleichb­aren Baukosten, die derzeit am Markt veranschla­gt werden“, schreibt Mahrer mit Verweis auf die bei Beschluss im Juni 2019 veranschla­gten Marktpreis­e von 2500 Euro netto.

Außerdem würde die Bundeswirt­schaftskam­mer im Gegenzug jährlich 125.000 Euro an Mieten und Betriebsko­sten sparen, weil die bis dato extern auf 450 Quadratmet­er eingemiete­te StatistikA­bteilung in die Kammerzent­rale in die Wiedner Hauptstraß­e zurück übersiedel­e. Außerdem fielen Abteilungs­leiterpost­en weg. Die Personalko­sten der knapp 38 Vollzeitst­ellen dieser neuen Medienabte­ilung taxierte Mahrer für 2019 auf 3,4 Millionen Euro.

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Muss persönlich nicht um einen Listenplat­z zittern, um Präsident der Bundeswirt­schaftskam­mer zu bleiben: Harald Mahrer.

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