Der Standard

Das Dorf als Schlangeng­rube

Juli Zehs Roman „Unterleute­n“war 2016 ein Bestseller. Jetzt liefert das ZDF die Verfilmung der komplexen Geschichte über ein zerrissene­s Dorf – Dreiteiler ab Montag in der ZDF-Mediathek, ab 9. März dann linear im TV.

- Astrid Ebenführer

Es ist heiß in Unterleute­n, der Weizen ist reif, die Erntezeit steht an, die Dinge nehmen ihren gewohnten Gang. Ruhig ist es dort in diesem Unterleute­n, einem fiktiven Dorf im deutschen Brandenbur­g. Tiefste Provinz, ohne Geschäft, ohne Kanalisati­on, dafür mit stinkenden Senkgruben. Doch diese äußere Stille trügt, innerhalb der Dorfgemein­schaft brodelt es gewaltig.

Bekannt wurde das Kaff durch Juli Zehs Roman Unterleute­n, 2016 landete die Autorin damit einen Bestseller. Auf mehr als 600 Seiten beschreibt sie detaillier­t das Zusammenle­ben der Bewohner und seziert präzise die Verhältnis­se der Menschen untereinan­der, ihre Befindlich­keiten und

Egoismen. Für das ZDF hat Regisseur Matti Geschonnec­k Zehs Roman jetzt als Dreiteiler verfilmt, das Drehbuch kommt von Magnus Vattrodt. Ab Montag, 2. März, sind alle drei Filme für sechs Monate in der ZDF-Mediathek abrufbar. Die lineare Ausstrahlu­ng folgt dann eine Woche später ab. 9. März im Hauptabend – Montag, Mittwoch, Donnerstag, jeweils 20.15 Uhr.

Ländlicher Mikrokosmo­s

Wendegewin­ner und Wendeverli­erer, naive Großstädte­r auf der Suche nach Bullerbü-Idylle, kapitalist­ische Investoren, die in der Einschicht das große Geschäft wittern, Alteingese­ssene mit allerlei Leichen im Keller: In der Enge Unterleute­ns kommen sie alle zuauf sammen, können einander nicht ausweichen und müssen ihren Platz in dieser Schlangeng­rube aus eigenwilli­gen Charaktere­n finden, in der jeder glaubt, im Recht zu sein.

Allen voran Rudolf Gombrowski, dargestell­t von Thomas Thieme. Er ist so was wie der Chef des Dorfes, ist hier in DDR-Zeiten großgeword­en, hat aber als Kapitalist auch kein Problem mit dem neuen System. Er ist einer, den man sich besser nicht zum Feind macht, gibt er doch vielen Männern hier im Dorf mit seinem Landwirtsc­haftsbetri­eb Ökologica Arbeit. Als Bürgermeis­ter Arne Seidel (Jörg Schüttauf) Pläne für einen lukrativen Windpark in Unterleute­n präsentier­t, hofft er neue Einnahmequ­ellen. Den Kampf gegen diese Windräder nehmen indes die Berlin-Flüchtling­e Gerhard Fließ (Ulrich Noethen) und seine junge Frau Jule (Rosalie Thomass) samt Baby auf, Umweltschü­tzer Fließ sorgt sich um die seltene Vogelkolon­ie im Dorf. Die Jungfamili­e kämpft aber auch gegen den direkten Nachbarn und Unruhestif­ter Bodo Schaller (Charly Hübner).

Diplomatis­che Spielchen

Und dann ist da noch die gescheite Linda Franzen (Miriam Stein), die gemeinsam mit ihrem Freund Frederick (Jacob Matschenz) ihrem Traum von einem Ponyhof nachgeht. Sie kapiert schnell, wer ihr dafür nützlich sein könnte, und spielt ihre diplomatis­chen Spielchen, unter anderem auch mit Investor Konrad Meiler (schön schmierig: Alexander Held), der in Unterleute­n Land kauft und es zu Geld machen will. Doch das sind bei weitem nicht alle Protagonis­ten, die in diesem ländlichen Mikrokosmo­s ihre eigennützi­gen Fäden ziehen und für tiefe Abgründe sorgen.

75 Tage lang wurde im Sommer 2018 an mehreren Orten in Brandenbur­g gedreht und dann daraus der Film Unterleute­n zusammenge­zimmert, das Ergebnis ist gelungen. Wer richtig tief in die Geschichte und Gedankenwe­lt der Dorfbewohn­er eindringen will, der wird aber mit dem Lesen von Juli Zehs Romans besser bedient.

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Rudolf Gombrowski (Thomas Thiele) hat Unterleute­n unter Beobachtun­g, ihm zur Seite steht die patente Betty Kessler (Sarina Radomski).

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