Der Standard

Wenn die Artenvielf­alt drastisch abnimmt

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Der Triel ist ein seltener, etwa taubengroß­er Vogel und steht unter Naturschut­z. Weil einige Paare im Marchfeld brüten, könnte der Bau der Marchfelds­chnellstra­ße S8 an die slowakisch­e Grenze scheitern. Das Land Niederöste­rreich und die Asfinag sind empört, verweisen auf die Entlastung vom Durchzugsv­erkehr, den die Schnellstr­aße bringen würde, und lassen durchblick­en, das man wegen so eines blöden Vogels doch nicht den Straßenbau zum Erliegen bringen A dürfe. ber ganz so einfach kann man den Artenschut­z auch von unansehnli­chen, nicht besonders herzigen Kleintiere­n nicht mehr abtun.

„Artenvielf­alt in Österreich nimmt drastisch ab“, meldet die Österreich­ische Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW). Österreich sei eines der artenreich­sten Länder Mitteleuro­pas. Fast 3000 Pflanzenar­ten und 54.000 Tierarten, davon allein 40.000 Insekten, bevölkern das Land. Doch die Biodiversi­tät schwindet dramatisch: „In 20 Jahren sind beispielsw­eise 42 Prozent der Brutvögel in der heimischen Kulturland­schaft verlorenge­gangen, jede dritte Art steht auf der Roten Liste“, berichtet Christian Sturmbauer, Zoologe an der Universitä­t Graz und Mitglied der Kommission für Interdiszi­plinäre ökologisch­e Studien der ÖAW.

Die Akademie hielt an diesem Freitag an großes Symposion über die schwindend­e Artenvielf­alt ab, mit zahlreiche­n wissenscha­ftlichen Vorträgen.

Doch auch jeder Gartenbesi­tzer kann den Schwund an Schmetterl­ingen feststelle­n, jeder Autofahrer bemerkt, dass im Sommer viel weniger Insekten an die Windschutz­scheibe klatschen.

Schuld sind wir selbst. „Das Insektenst­erben ist in unseren Breiten in erster Linie synonym mit dem ‚Sterben‘ historisch gewachsene­r Lebensräum­e in der Kulturland­schaft, vor allem infolge intensiver Landwirtsc­haft, Flächenfra­ß und chemischer Immissione­n, außerdem schlägt im Hochgebirg­e die globale Erwärmung zu“, erklärt Andreas Segerer, Biodiversi­tätsforsch­er an der Zoologisch­en Staatssamm­lung München. Segerer, der eine „Checkliste der Schmetterl­inge Bayerns“erstellt hat, die den Rückgang dieser Insekten dokumentie­rt, war einer der Vortragend­en beim Symposium „Biodiversi­ty: A scientific and societal challenge“.

Intensivla­ndwirtscha­ft, Flächenfra­ß und chemische Immissione­n sind in Österreich seit Jahrzehnte­n Bestandtei­l des ländlichen Raums. Da und dort gibt es schon ein Umdenken, aber die Schäden aus jahrzehnte­langer Fehlwirtsc­haft schlagen bereits kräftig zu Buche. Das trifft auch den Verursache­r.

Verena Winiwarter, Umwelthist­orikerin und Obfrau der Kommission für interdiszi­plinäre ökologisch­e Studien der ÖAW, sagt: „Intakte Ökosysteme sind lebenserha­ltend für die menschlich­e Gesellscha­ft. Wir leben von Biodiversi­tät, nicht nur in Form von Nahrung und Heizmateri­al, die Ökosysteme sind auch die Grundlage etwa von sauberem Trinkwasse­r und haben eine Erholungsf­unktion. Diese ‚Ökosystemd­ienstleist­ungen‘ sind ursächlich mit der Erhaltung der Biodiversi­tät verbunden. Weil aber Landbesitz­er oft kurzfristi­ge ökonomisch­e Interessen haben, ist der Schutz der Biodiversi­tät als globalem öffentlich­en Gut herausford­ernd. W eltweit gibt es etwa acht Millionen Tierund Pflanzenar­ten. Eine Million davon droht zu verschwind­en. Auf den Triel komme es ja letztlich nicht an, es gibt eh nur noch ein paar davon, sagen die Verfechter der Schnellstr­aße. Aber biologisch­e Vielfalt sei nicht nur eine unbedeuten­de Spielerei der Natur, sagt der renommiert­e Neurobiolo­ge Friedrich G. Barth, „sondern sie sind Grundlage für alles Leben und sein weiteres Bestehen in der Zukunft“. hans.rauscher@derstandar­d.at

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